MALI WEIL

kuratiert von Ivana Marjanović, in Zusammenarbeit mit Mari Andresen & Magdalena Saxer
FR 19.09.25, 19:00 ERÖFFNUNG
18:30 DOORS OPEN mit einer Führung durch die Ausstellung
Ausgehend von einer Analyse der Beziehungen zwischen Menschen und Wölfen in den italienischen Alpen und ihrer Bedeutung als prototypisches Modell menschlicher und nicht-menschlicher Beziehungen im Anthropozän, erforscht Mali Weil performativ Dimensionen der Einflüsse dieser Beziehungen. The Mountain of Advanced Dreams ist ein visionäres Projekt, das eine zukünftige Gesellschaft voraussieht, in der Diplomatien zwischen den Spezies eingeführt werden. Durch die Weiterentwicklung von Gesetzen, Politik, Ritualen, Mythologie und Bildung ist es den Menschen gelungen, ihre Lebensweise, nicht ohne Konflikte, zu verändern. Mit der Zweikanal-Installation Rituals, performativen Projekten wie School of Interspecies Diplomacies and Werewolfish Studies, künstlerischen Objekten und den „Artefakten“ der neuen Welt trägt Mali Weil dazu bei, neue Formen des Zusammenlebens zu imaginieren. Hier ist der Mensch nicht mehr der privilegierte Akteur des Verschlingens.
The Mountain of Advanced Dreams versetzt das Publikum in eine Zeit am Ende des 21. Jahrhunderts, in der sich aufgrund der ökologischen Krise des 20. Jahrhunderts eine Diplomatie zwischen den Spezies entwickelt.
Mit den ausgestellten Arbeiten nähern sich die Künstler*innen Existenzen auf eine Art und Weise, die den Tod nicht als das Gegenteil des Lebens, sondern als einen Übergang betrachtet. Die Menschen haben ihre früheren Leben – ebenso wie ihre zukünftigen – als Tiere oder andere nicht-menschliche Wesen gelebt. Angeregt durch die Betrachtung alter Mythologien und einer Vielzahl kultureller Traditionen, geht Mali Weil über den Tod als zeitgenössisches Tabu hinaus und stellt ihn als Kontaktzone in einer Welt dar, in der Verwandtschaft den zentralen Wert bildet.
Obwohl der Ausgangspunkt die Erforschung der juristischen Geschichte der Mensch-Tier-Interaktion (Mensch-Wolf) war, stützt sich das Ergebnis der Künstler*innen nicht ausschließlich auf das, was im Entstehungsprozess menschlicher Kultur als „rational“, wissenschaftlich oder politisch verstanden wird. Stattdessen fließen das Reich der Träume, mystische Praktiken, Animismus, antike Mythologie sowie vorchristliche volkstümliche Traditionen, die seit jeher Beziehungen zwischen Spezies pflegen, in diese künstlerische Praxis als Weltentwurf ein. Wie Mali Weil selbst sagen: „The Mountain of Advanced Dreams versteht den ‚Traum‘ als einen Beziehungsraum und ein imaginatives Werkzeug, um mögliche Welten zu erschaffen, in denen verschiedene Formen von Diplomatien zwischen den Spezies, Gesetzgebung und Politik bereits etabliert sind und praktiziert werden.“1
Wie wir im Zweikanalfilm Rituals (2023) sehen können, werden die Diplomat*innen durch verschiedene rechtliche und mystische Rituale in abgelegene Gebirgsregionen eingeführt. Indem sie verschlingen oder sich selbst anbieten um verschlungen zu werden – während oder nach ihrem Leben – lösen sich die Diplomaten*innen dieser zukünftigen Welt von der Hierarchie der Spezies, die den Menschen als außergewöhnlich einstuft und die menschliche Kultur als ausbeuterisch bewertet. Das Verstehen und Wertschätzen von nicht-menschlichen Wesen als ökologische Partner*innen ermöglicht es den Menschen, andere Lebensformen nicht länger ausschließlich als Ressourcen für ihr eigenes unmittelbares Überleben zu betrachten.
Indem sie zu metamorphen Wesen werden, die sich zwischen den Welten bewegen, erreichen einige dieser Diplomaten*innen veränderte Bewusstseinszustände. Sie erlangen die Fähigkeit, zwischen Realitätsebenen zu wechseln, um die Menschen der „Andersartigkeit“ der nicht-menschlichen Welt näherzubringen. Dabei treten sie in wechselseitige Beziehungen mit nicht-menschlichen Wesen und verändern Aspekte ihrer selbst und ihrer Wahrnehmung (etwa durch Praktiken des Gestaltwandels), um die nicht-menschliche Welt besser zu verstehen und zu unterstützen. Ihre Aufgabe besteht darin, die bestmöglichen Existenzbedingungen für möglichst viele Lebewesen zu schaffen und zu verhindern, dass ein einzelnes Wesen oder eine Gemeinschaft einem Gebiet mehr nehmen, als sie ihm bieten.
Als diplomatischer Körper vertreten diese Diplomat*innen nicht einzelne Wesen oder Gemeinschaften, sondern komplexe Gefüge, das heißt Gruppen von Organismen, die bestimmte Territorien (Zönakel) bewohnen. Diese stehen in wechselseitiger Abhängigkeit, also in einer„vitalen Verflechtung“ (Braidotti), mit anderen lebenden und nicht-lebenden Entitäten (Wasser, Erde usw.) - als Teil der „lebendigen Materie“ (Bennett).
Neben verschiedenen rituellen Praktiken zeigt das letzte Kapitel des Films Rituals die Technik der Ekstase durch Oszillation, von der man annimmt, dass sie alternative Bewusstseinszustände freisetzt. Die Oszillation stammt aus der altgriechischen Tradition und wurde praktiziert, um Verbindungen zwischen den Lebenden und den Toten zu erneuern.
Der dionysische Gruß Eis Oros, den die Diplomat*innen im Film verwenden, dient als Aufforderung, die menschliche Realität hinter sich zu lassen - Eis Oros bedeutet „Zum Berg!“ „In die Höhen!“
Mali Weil schafft eine Reihe künstlerischer Objekte, die zugleich als rituelle Gegenstände oder Insignien der Interspezies-Diplomat*innen dienen. Dazu gehören der Wandteppich DIVINA ET DEVORATOR (2023), die zeremoniellen Anstecknadeln oder Dolche IMAGO (2023-2024), sowie das MAGO BOOK | INTIMACY AND METAMORPHOSIS (2025), das sowohl ein zeremonieller Umhang als auch ein textiles Buch ist.
Zum Projekt gehört außerdem das Buch, The Mountain of Advanced Dreams (2023), das eine umfassende Dokumentation des künstlerischen Materials und der theoretischen Ausarbeitungen darstellt. Es bringt uns jener zukünftigen Welt näher, die nicht nur skizziert, sondern bis ins Detail ausformuliert und imaginiert wird - etwa im Kapitel Lexicon of Interspecies Diplomacies (Lexikon der interspezifischen Diplomatie).
Ein weiterer Teil des Projekts ist die fortlaufende School of Interspecies Diplomacies and Werewolfish Studies, die in der Ausstellung sowohl als Archiv von Lernmaterialien als auch als performativer Werberaum für zukünftige Iterationenpräsentiert wird.
In der Lecture Performance For a Universal Diplomatic Training Curriculum erläutert Holda K. Rebane, die Leiterin der School of Interspecies Diplomacies and Werewolfish Studies: „Diplomatie bedeutet, zu akzeptieren, dass der Ort des Dialogs und der Verhandlung derselbe ist, wie der Ort des gegenseitigen Verschlingens. Sie umfasst Münder, Zähne, Zungen und das gewaltsame Verlangen, den anderen zu beißen und zu verschlingen - und selbst gebissen und verschlungen zu werden. Divine et Devorator - sei göttlich und mögest du verschlungen werden - ist das Motto der Schule.
Es ist das, was wir, die Anthropoi, tun sollten, wenn wir unseren neuen Platz in der lebendigen Gemeinschaft finden, mit der wir zusammenleben.2
In ihrem vielschichtigen interdisziplinären Projekt The Mountain of Advanced Dreams vereint Mali Weil eine Vielzahl unterschiedlicher Bereiche künstlerischer Produktion - von Film und Performance über Bildender Kunst und Design bis hin zu Dialogen mit wissenschaftlichen Disziplinen wie Anthropologie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Biologie und Ökologie sowie mystischen Traditionen.
Durch die Schaffung hybrider künstlerischer Formen und einer ästhetischen Sprache, die sich zwischen Vergangenheit und Zukunft bewegt, entwirft Mali Weil eine kühne Vision.
Text: Dr. in Ivana Marjanovic
Quellen:
- Mali Weil, https://www.maliweil.org/the-mountain-of-advanced-dreams
- Mali Weil, The Mountain of Advanced Dreams, postmedia books, 2024.
Mali Weil, Rituals. The Mountain of Advanced Dreams. Zweikanal-Video, 2021.
Jane Bennett, Vibrant Matter. A Political Ecology of Things, Duke University Press, 2009.
Rosi Braidotti, The Posthuman, (S. 71), Polity, 2013.
ÜBER DIE KÜNSTLER*INNEN
Mali Weil ist eine von Elisa Di Liberato, Lorenzo Facchinelli und Mara Ferrieri gegründete künstlerische Plattform mit Sitz in Trentino, Südtirol (IT). Durch eine vielschichtige und erweiterte Praxis entwickelt sie eine performative Forschung, die Räume und Formen der Darstellung politischer Imaginationen zu ökologischen und gesellschaftspolitischen Themen untersucht - ebenso wie die Rolle und Verantwortung des Einzelnen im sozialen und urbanen Raum.
Ihre visuelle Produktion reicht von Performance über Produktdesign und Spekulatives Design, Editorials und Film bis hin zu kuratorischen Projekten und Workshops. Diese schaffen offene, mobile Schulen sowie partizipative und relationale Settings und bieten Plattformen für Diskussionen und Austausch.
Mali Weils Arbeiten wurden in renommierten Räumen gezeigt, darunter Hamburger Bahnhof, La Triennale di Milano, GAMeC, MART Museum, MUSE - Museo delle Scienze, Milano Design Week, Centrale Fies, PAV -- Parco Arte Vivente, das Museo Nazionale della Montagna, der Circolo del Design in Turin, die SAAL Biennaal Tallinn, das Trento Film Festival, das Museo MAXXI, sowie die Venice Design Biennial Rahmen der Architekturbiennale Venedig.

Die Tage der Klimakultur machen im Oktober mit zahlreichen Veranstaltungen und verschiedenen Formaten sichtbar, wie vielfältig Klimakultur in Tirol in die Praxis umgesetzt wird. Vom Filmabend bis zur Ausstellung, vom Workshop bis zum Theaterstück: Wir setzen ein starkes Zeichen und laden herzlich dazu ein, die Tage der Klimakultur mit uns zu feiern.
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