Event
08.03.24 – 21.05.24

"WHEN WE MOVE, IT'S A MOVEMENT"

FEMINIST ART & ACTION IN INNSBRUCK
„Schwarz auf Blau“ Innsbrucker Alltagsgeschichten. Das Papiertheater. Initiative Schwarze Frauen* Innsbruck & Zweitgeschichte, 2024. Foto: Daniel Jarosch
Agnieszka Kulowska, Ausstellungseröffnung "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.
Agnieszka Kulowska, Ausstellungseröffnung "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.
Agnieszka Kulowska, Ausstellungseröffnung "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.
Agnieszka Kulowska, Ausstellungseröffnung "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.
Daniel Jarosch, Ausstellungsansicht "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.
Daniel Jarosch, Ausstellungsansicht "WHEN WE MOVE, IT’S A MOVEMENT", 2024.

Burschenschaft Furia zu Innsbruck, Ursula Beiler, Comedian Feminists, Katharina Cibulka, Margarethe Drexel, Karin Ferrari, Initiative Schwarze Frauen* Innsbruck & Zweitgeschichte, Judith Klemenc, Michelle Schmollgruber, Michaela Schwarz-Weismann, Nikolina Žunec, Monika K. Zanolin

Kuratiert von Ivana Marjanović

In Kooperation mit Frauen*vernetzung – für Begegnung und Austausch, Frauenbibliothek – AEP, Initiative Schwarze Frauen* Innsbruck & Verein Zweitgeschichte.

Die Ausstellung ist dem 8. März gewidmet, dem internationalen Tag, der die Errungenschaften feministischer, queerer, intersektionaler, globaler bzw. planetarischer Bewegungen feiert und Forderungen zu aktuellen sozialen und politischen Dringlichkeiten stellt. Die Ausstellung zeigt energiegeladene großformatige Kunstinstallationen, kritische und spielerische performative Aktionen, poetische visuelle Reflexionen, scharfe analytische Spekulationen, gewagte Imaginationen und gibt Einblicke in die künstlerische Praxis einiger inspirierender Akteur*innen der feministischen Bewegung in und um Innsbruck.

Wenn wir das Motto „Wenn wir uns bewegen, ist es eine Bewegung“ lesen, entstehen in unseren Gedanken Bilder von körperlicher Bewegung und sozialer Bewegung. Bewegung und Bewegen beziehen sich jedoch auf mehr als das: materiell und immateriell, öffentlich und intim, symbolisch und real. Auch wenn nicht alle Künstler*innen, die an dieser Ausstellung teilnehmen, gleichzeitig feministische Aktivist*innen sind, oder jedenfalls nicht nur das sind, so ist diese Ausstellung, die in die Programmgestaltung des 8. März eingebunden ist und mit der feministischen Bewegung kooperiert, unmittelbar in dieser Bewegung situiert.

Die Ausstellung versammelt verschiedene Positionen von meist lokalen Künstler*innen und Aktivistinnen* und zeigt die Stärke feministischer Vernetzung und Aktion. Nach der 8. März-Demonstration, die von der Frauen*vernetzung – für Begegnung und Austausch Tirol organisiert wird, bietet die Ausstellung Raum für künstlerische und politische Reflexionen, die auf die Vergangenheit zurückblicken, über die Zukunft nachdenken und ermessen, was der 8. März auf längere Sicht bedeutet und symbolisiert.

In ihrem Video am Eingang ]...[ (2022) performt Judith Klemenc die Zerstörung eines Haufens von Objekten aus Ton mit Inschriften. Die Szene, die an einem abgelegenen Ort in den Bergen spielt, beginnt damit, dass die Künstlerin schwarze Tonobjekte vom Schnee befreit und die darauf eingravierten Wörter in weißer Farbe sichtbar macht. Die Texte erscheinen in verschiedenen Sprachen und repräsentieren neoliberale und patriarchale Werte wie „Selbstfürsorge“, „individuell“, „optimiert“, „offen“, „motiviert“ ... Die Objekte, die organische Formen haben, sind hohl und verweisen auf eine abstrahierte Assemblage von Körpern, Körperteilen oder auf einen kollektiven Körper. Diese fragmentierte Repräsentation kann mit der neoliberalen Form der Gouvernementalität in Verbindung gebracht werden, bei der die Subjekte die Ideologie in einem solchen Maße verinnerlichen, dass sie von sich selbst und von den anderen entfremden.

In der nächsten Sequenz des Videos platziert die Künstlerin den roten Faden, der die Teile verbindet, um im nächsten Moment den ganzen Haufen in die Luft zu jagen. Sie entfacht die Dynamitzünder und in ein paar Sekunden ist alles in einer gewaltigen Explosion verschwunden, die das, was aus Erde (Tonobjekte/Körper) hergestellt wurde, wieder in Erde (Asche) verwandelt. Diese explosive Arbeit ist ein kraftvoller symbolischer Akt oder ein Ritual des Verlernens von Werten, die unsere Freiheit, Autonomie und Souveränität als Subjekte verletzen. Diese Werte, die die Sorge um uns selbst nicht zu unserem eigenen Wohl und Wohlergehen fördern, sondern zur Produktivität und zum Dienen, die Optimierung zur maximalen Ausbeutung und Monetarisierung, die Offenheit nicht als Freundlichkeit gegenüber „Fremden“, sondern für Kooperation auf dem Arbeitsmarkt, werden propagiert nicht zu unserem eigenen Glück, sondern für Kapital und Patriarchat. Der zerstörerische Akt, der alles, was wir gelernt haben, in ein Nichts verwandelt, ist eine Form des symbolischen Anfangs, eines neuen Werdens und ein Akt des Widerstands.

Ebenfalls am Eingang eröffnen zwei Holzskulpturen von Ursula Beiler mit den Titeln Kristalla (2014) und Anna Selbdritt (2004), den Raum und kontrastieren die monolithischen oder binären Vorstellungen von Identität und menschlicher Handlungsmacht. Die kristallartigen Strukturen aus Apfel- und Lindenholz, die in einer Farbkombination aus Schwarz, Weiß und Rot bemalt sind, ähneln in ihren geometrischen Formen Kristallen, Felsen und Bergspitzen und können vage als abstrahierte Figuration verstanden werden. Diese Skulpturen strahlen Energie aus, die in den Himmel weist und den Weg in die Zukunft öffnet. Auf der Suche nach altem Wissen und spirituellen Traditionen, die in den Jahrhunderten vor der Einführung des Christentums in der Region entstanden sind und bis heute weiterleben, erforscht Ursula Beiler in ihren Werken die Natur und ihre Beziehung zu weiblichen Formen von Spiritualität und Kreativität.

Ein großer Teil von Beilers Arbeit ist in der Land Art situiert, in skulpturalen und performativen Modi der Verbindung von Land Art und Ökofeminismus. Seit 2018 ist es ihr gelungen, auf drei Bergen Skulpturen zu installieren, die die feministische Bewegung symbolisieren, die sich gegen die patriarchale christlich-katholische Repräsentation wendet, die die alpine Landschaft dominiert (z.B. durch die Installation von christlichen Kreuzen auf Berggipfeln: Wildfrauenkreuz, seit 2022 auf der Grafenbergalm in den Hohen Tauern auf ca. 1.500 m Seehöhe; Gipfelkreuz Female, seit 2018 im Skigebiet Hochzeiger im Pitztal; Gipfelkreuz Female / Fisser Sonnenkreuz, seit 2018 im Skigebiet Schönjoch auf 2.500 m Seehöhe in Fiss).

Beiler stellt die Idee der patriarchalen Eroberung und des Besitzes von Land und Körper der Agenda des Feminismus entgegen. Viele ihrer Skulpturen strahlen archaische Formen der Spiritualität aus, die die weibliche kreative Energie feiern. Das Zeichen, das auch als „Venus-Symbol“ bekannt ist, erscheint in vielen Repräsentationen der feministischen Bewegung. „Aus unbekannter Zeit stammend“, so die Künstlerin, finden wir dieses Symbol zum Beispiel in der Form neolithischer Figuren. Mit weit ausgebreiteten Armen stehen sie für die Mutter Erde, die Fruchtbarkeit der Menschen, der Tiere und der Vegetation. In der altägyptischen Tradition ist dieses Zeichen als Hieroglyphe und als Symbol des Lebens, das Ankh, bekannt.

Mit der Installation des Zeichens, das auf das Ursymbol des Lebens verweist und das sie „Frauenkreuz“, „Lebenskreuz“ oder „Sonnenkreuz“ nennt, adressiert Ursula Beiler die Frauenbewegung, aber auch die unterrepräsentierte weibliche Göttin, die Mutter Erde, die zur Erhaltung und zum Schutz der Natur aufruft. Darüber hinaus setzt sie sich kritisch mit der Fiktion der „einen Religion“ auseinander, die die Alpenlandschaft beherrscht. Das ist wichtig, weil diese Fiktion im Kontext der erstarkenden rechten Politik und der antifeministischen Stimmung oft mit anderen Fiktionen wie „eine Nation“ und/oder „eine Ethnizität“ einhergeht, obwohl die Grenzen, seien sie geopolitisch oder epistemologisch, nie undurchlässig waren. Diese Skulpturen tatsächlich auf realen Berggipfeln zu platzieren, ist eine Herausforderung, die Verhandlungsgeschick mit patriarchalen Autoritäten und sogar eine Portion List und Tarnung erfordert (die Sonne ist zum Beispiel auch Teil des Wappens des Dorfes Fiss, in dem „Sonnenkreuz“ installiert ist). Diese Skulpturen feiern nicht nur den feministischen Kampf, sondern auch das Leben und die unendlichen Zyklen der Verwandlungen, Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit.

Die zyklische Transformation und ihre Beziehung zu feministischem Wissen und Geschichte ist auch das Thema einiger anderer Künstler*innen in der Ausstellung, wie Margarethe Drexel und Karin Ferrari.

Karin Ferraris Videoinstallation The Lost Goddess. DECODING Born This Way von Lady Gaga (2020-2023) gehört zu der Serie DECODING (The Whole Truth), die Musikvideos und andere popkulturelle Bilder auf ihre vermeintlich versteckten Botschaften hin analysiert. Diese Videos sind Teil von Ferraris „trash-mysticism“- Konzept und funktionieren sowohl autonom als Youtube-Videos als auch in künstlerischen Arbeiten, die in Kunsträumen ausgestellt werden.

Unter Verwendung einer komplex konstruierten performativen Theorie, die auf der Analyse der okkulten Semantik in Lady Gagas Videoclip basiert, wird in der Arbeit das Gegenargument entwickelt, dass Lady Gagas Musikvideo Born This Way keinen „satanischen“ Diskurs repräsentiert (oder eher eine naive, oberflächliche Vorstellung davon, was „satanisch“ wäre). Im Gegenteil, das Video ist ein Medium, in dem sich die unterdrückte ursprüngliche Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin (die gefallene oder verlorene Göttin), ihr Kult, ihre weibliche Macht und Souveränität manifestieren. Wir hören drei Personen (darunter die Künstlerin selbst), die eine analytische Spekulation über das Video anstellen und verschiedene Aspekte von Lady Gagas Ausdrucksmitteln, von den Kostümen über die Choreografie bis hin zum Text, untersuchen. Sie interpretieren dieses Material unter Verwendung verschiedener zeitgenössischer und historischer Analogien, Bilder und Symbole. In Anlehnung an die Logik von Verschwörungstheorien und paranoiden Erzählungen, die im Internet kursieren (geheime Bedeutungen, Alien-Theorien usw.), unternimmt Karin Ferrari eine ironische und humorvolle Dekonstruktion von frauenfeindlichen, patriarchalen und homophoben Konzepten und kontrastiert sie mit dem, was sie „esoterische utopische Wünsche“ nennt. Indem sie alternative Repräsentationen wie die Verlorene Göttin, die jenseits binärer Geschlechterprinzipien als Hermaphrodit imaginiert wurde, vorschlägt, trägt sie zu nicht-essentialistischen feministischen Repräsentationen bei. Darüber hinaus sind in dieser Analyse die Themen Leben und Schöpfung auch untrennbar mit Dunkelheit und Tod verbunden.

Ein großer Teil der Analyse konzentriert sich auf die korrigierende Interpretation, bei der die Figur des Teufels als dämonisierte Version der Archetypen der Mutter und der Erdgöttin verstanden wird. Die an die weiblichen Praktiken und Formen der Macht, des Wissens über die physische Welt, die Medizin, den Körper und die Geburt erinnernde Figur schlägt eine alternative Version der Schöpfungsmythen des Lebens und des Universums vor, die dem christlichen Narrativ entgegensteht (und auf vielfältige Wissens und spirituelle Traditionen verweist). Die Art und Weise, wie Lady Gaga sich im Musikvideo präsentiert (indem sie die Figur der Mutter Monster erfindet), erinnert an alte religiöse Konzepte von universellen Göttinnen, die scheinbar widersprüchliche Aspekte verkörpern, nämlich Fruchtbarkeit und Vernichtung. Diese Lesart erinnert an ein zyklisches Verständnis von Leben und Tod und affirmiert es. Die Todessymbolik steht für die Macht der Verlorenen Göttin über Leben und Tod und erinnert an die antike Interpretation des Todes als einer schöpferischen Kraft, die für die Erhaltung des Lebens unerlässlich ist.

Margarethe Drexel erforscht seit vielen Jahren weibliche Wissenstraditionen, insbesondere ungeschriebene mündliche Überlieferungen über Körper und Psyche und deren Beziehung zum Kreislauf von Leben-Tod-Leben. Ihre beiden ausgestellten Arbeiten sind subtil und auch ein wenig geheimnisvoll. Sie beschäftigen sich nicht nur mit dem Kraut Hypericum perforatum, das gemeinhin als „Johanniskraut“ bekannt ist, sondern sie beziehen diese Pflanze direkt auf der materiellen Ebene der künstlerischen Umsetzung mit ein. Das „Johanniskraut“, das viele Namen hat, ist in Europa, Asien und Afrika seit langem für seine heilenden und magischen Eigenschaften bekannt. Heute wird die Pflanze vor allem zur Linderung von psychischen Beschwerden wie Angst und Depressionen und zur Heilung von Hautkrankheiten eingesetzt. Neben ihrer regenerativen Kraft ist diese Pflanze jedoch auch für ihre zerstörerische Wirkung bekannt. Es wird vermutet, dass Johanniskraut Auswirkungen auf die Geburtenkontrolle haben kann und dass es in der Vergangenheit als eine der Zutaten zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verwendet wurde, was diese Pflanze auch für die feministische Forschung über körperliche Autonomie und Souveränität interessant macht.

Das Werk Until the day breaks and the shadows flee (2022) ist ein abstraktes Gemälde, das durch das Auftragen von Johanniskrautöl und Gouache direkt auf die Leinwand durch größere Bewegungen des Textilmaterials und des Tropfens entsteht. Das Kunstwerk arbeitet mit der monochromen Transformation von Schwarz zu Weiß sowie von Licht zu Dunkelheit und ist eine ästhetische Reflexion über transzendentale „Erfahrung“ und das Geheimnis des Zyklus von Leben-Tod-Leben. Der einzige Hinweis auf das Thema ist der Titel Until the day breaks and the shadows flee, der von Drexels künstlerischer Forschungsmethode, dem Sammeln von Grabinschriften, herrührt. Sie interessiert sich dafür, was auf den Grabsteinen geschrieben steht, welche Schrift verwendet wird und welche Botschaften und kulturellen Praktiken diese Texte vermitteln sollen. Außerdem gibt es eine Referenz auf die Sterblichkeit, das Rad des Lebens und das Leben nach dem Tod, aber auch eine Reflexion über das Hinter-sich-Lassen des Schmerzes (die Flucht der Schatten).

Margarethe Drexel hat mehrere Kunstwerke geschaffen, die von zeitgenössischen und historischen kulturellen Traditionen des öffentlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit Tod und Vergänglichkeit inspiriert sind. Im Gegensatz zu den vorherrschenden zeitgenössischen westlichen Tabus, die den Tod umgeben (die Verlegung von Todeszeremonien in die Sphäre des Privaten, die schnellstmögliche Beseitigung von Leichen aus dem Blickfeld, die Dominanz eines Jugend-„Kults“, der Imperativ des medizinischen Fortschritts, das Leben um jeden Preis zu verlängern), interessiert sich Drexel für Bilder und performative Praktiken, die den Tod als Teil des Lebens behandeln. Dazu gehört beispielsweise die Darstellung des Totentanzes (Danse Macabre), einer spätmittelalterlichen künstlerischen Allegorie mit tanzenden menschlichen Skeletten, die als Memento-Mori-Trope geschaffen wurde, um die Menschen an die Unvermeidlichkeit und Universalität des Todes zu erinnern.

Ihre Textilarbeit I have fought the good Fight (2024) ist eine Stickerei, die zwei Skelette im Gespräch darstellt und auf dem Kissenbezug der Familie angebracht ist, den sie zuvor mit gelben Johanniskrautblüten „verziert“ hat. Dieses Werk ist ein intimer Kommentar oder vielleicht sogar ein Gespräch mit den toten Vorfahren über Familie, Tradition, Tod, Heilung und Autonomie. Margarethe Drexel erinnert nicht nur an den Platz des Textils in der Geschichte der feminisierten Arbeit und der Kreativ- und Kunsthandwerksindustrie, sondern sie kommentiert auch die Reproduktionsarbeit. I have fought the good Fight arbeitet mit einem weißen Stück Familienbettwäsche, das ursprünglich gestickte Initialen trägt, die den männlichen Nachnamen als Symbol der patriarchalen männlichen Tradition bewahren. Diese weiße Fläche, die wie eine leere Leinwand aussehen könnte, hat Margarethe Drexel mit Blumen bedruckt, die, wie gesagt, Symbole des feministischen mündlichen Wissens über Körper und Seele und über körperliche Unabhängigkeit und Kontrolle darstellen, um mit dem patriarchalen Imperativ der Reproduktion zu brechen. Das Gespräch der Toten mit den Toten meditiert über die menschenzentrierte Reduzierung des Lebens auf die menschliche Reproduktion und bringt Traditionen des feministischen Widerstands in die Geschichte ein.

Ebenfalls auf die Medien des Textilen in der feministischen Geschichte referenzierend, verbindet Judith Klemenc Textil mit Ton. Ton symbolisiert das Material, aus dem der Mensch geformt wurde und vor allem wie er geformt wurde/wird. Darin liegt auch die gesellschafts- und machtkritische Bedeutung: So wie der Mensch geformt wurde kann er sich auch selbstbestimmt umformen: ein symbolischer Apell des Empowerments.

In eine der jüngsten Arbeiten von Judith Klemenc, MEDUSA. BECOME MONSTROUS! (2024) setzt sie ihre Experimente mit großformatigen monochromen Textilskulpturen fort, die an schlangenartige Formen erinnern und im Falle dieser Arbeit direkt an feministische Wiederaneignungen des antiken griechischen Mythos der Medusa anknüpfen. Medusa, ursprünglich als bezaubernde Schönheit beschrieben, wurde aufgrund der Verführung/Vergewaltigung seitens Poseidons von Pallas Athene in ein Monster mit Schlangenhaaren, glühenden Augen und herausragender Zunge verwandelt, dessen Anblick jeden in Stein verwandelt. In westlichen feministischen Interpretationen dieses Mythos erscheint Medusa als eine mächtige Figur, deren Stärke patriarchale Panik auslöst, und sie ist zu einem Symbol feministischer Bewegungen und feministischer Popkultur macht. Klemenc konzeptualisiert Medusa als Widerstand gegen eine patriarchale Dämonisierung von Frauen, auch unter Frauen, um die Fort- und Einschreibung von patriarchaler Gewalt zu unterbrechen. In ihrer Installation MEDUSA. BECOME MONSTROUS! wird Medusa nicht in ihrer Dar- und Vorstellung von Monster bedeutend, sondern in ihrer Monstrosität, um für eine Solidarisierung gegen patriarchale Gewalt aufzurufen. Ihre Schlangenhaare aus Textil entfalten sich im Raum, umwachsen die tragende Säule und ballen sich in zerbrechlichen Boxhandschuhen aus Ton zu Fäusten, die das Bild der feministischen Solidarität und des Kampfes für Rechte und Würde evozieren. Auf den widersprüchlichen Boxhandschuhen aus Ton sind Zitate der Theoretikerin Sara Ahmed eingraviert, die für ihre Arbeit zu Feminismus, Queer und Critical Race Theory bekannt ist: “When I imagine that clay, I imagine not only how we give shape to something, but how we ourselves are under pressure to take a certain form”; “When you have to fight for existence, fighting can become an existence”; “When critique causes damage, I am willing to cause damage”; “White feminism = blanking”; “Silence about violence is violence”; “Become a feminist infection!”; “Become monstrous” (Sara Ahmed, The feminist killjoy handbook. Milton Keynes, Dublin: Allen Lane, 2023).

Die Burschenschaft Furia situiert ihre Arbeiten und Aktionen in ihrem Kampf um die seligen Zeiten des Goldenen Matriarchats (dazu gehört auch die genaue Definition, wie sie beschrieben werden will):
„Die Burschenschaft Furia ist die erste internationale Burschenschaft, gegründet 1903 von der Tiroler Extrembergsteigerin Cenzi von Ficker, in ewiger Verbundenheit zu Gulisa Hitt und ihrem Gefolge der Furien. Die B! kämpft, gemäß ihrer Gründungsmutter, seit jeher unbeirrbar für das goldene Matriarchat – die ursprüngliche und einzig wahre Lebensform. Gegen alle Widrigkeiten verfolgen die Burschen ihre hehren Ziele laut dem Wahlspruch: Freiheit, Aufstand, Mutterland!“

Den matriarchalen Gedanken teilt die Burschenschaft Furia in Form von regelmäßigen Aktionen und notwendigen Eingriffen in den öffentlichen Raum, wie zB der „Fahrt ins goldene Matriarchat“ (2019) – einer matriarchalen Stadtrundfahrt im Oldtimerbus – oder der erfolgreichen Umbenennung des „Cenzi von Ficker Platzes“ (ehem. Adolf-Pichler-Platz) 2021 via Stadt Innsbruck. Mit dem Märchenbuch „Die Lodernde Lotte“ gelang es der B! Furia, einige ursprüngliche Märchenfassungen von tapferen Heldinnen, furchtlosen Kämpferinnen und der magischen weiblichen Urkraft zusammenzutragen. Regelmäßig erscheint außerdem das allseits beliebte Kalendarium („Der gute Mann“ 2019 / „Der schöne Mann“ 2021 / „Bluten für das Mutterland“ 2023).“

Michelle Schmollgruber stellt ihre Arbeit in den Kontext feministischer Kunst und Textilem und schafft aus Wolle geknüpfte textile Bilder/Objekte, die sich mit Institutionskritik, dem Platz von Künstler*innen im Kunstkanon, aber auch mit der Frage der Zeit auseinandersetzen. Die Serie von abstrakten Textilbildern trägt den Titel In der Tiefe der Zeit liegen die Antworten auf die Fragen, die in der Tiefe liegen (2021-2024), was für die Rezeption des Werks eine performative Funktion hat.

Auf der visuellen und technischen Ebene bezieht sich Michelle Schmollgrubers Werk auf einige der ikonischen abstrakten Kunstwerke der Moderne, insbesondere auf die Arbeiten von Josef Albers und Annie Albers, einem Bauhaus-Künstlerpaar, das in den 1930er Jahren auf der Flucht vor dem NS-Regime in die Vereinigten Staaten emigrierte. Formen von Rechtecken in Rechtecken oder Kreisen in Rechtecken verweisen auf die malerischen Farb- und Formstudien von Josef Albers, die in Schmollgrubers Werk eine gewisse Form der Reflexion über die Freude am künstlerischen Ausdruck durch Farbe und geometrische Form darstellen. Die technische Umsetzung in einem ganz anderen Medium (nicht der Malerei), nämlich im Medium des Textils, bringt jedoch andere Bedeutungen mit sich. Textil war das Hauptmedium der künstlerischen Praxis von Annie Albers, und obwohl sie heute als eine wegweisende kunsthistorische Figur anerkannt ist, die dazu beigetragen hat, die Grenzen zwischen Kunst und traditionellem (Kunst-)Handwerk zu verwischen, stand ihre Karriere im Schatten. Motiv und Technik dieser Beiden als Ausgangspunkt nehmend, erinnert Schmollgruber an den Platz der Künstlerinnen in der Kunstgeschichte, da diese oft aus dem kunsthistorischen Kanon der „hohen Künste“ ausgeschlossen waren. Durch den Prozess der Rahmung erhalten diese kleinformatigen, handgeknüpften Textilien mit langen Haaren den Status von Bildern, d.h. die Rahmung (und natürlich die künstlerische Absicht und institutionelle Kontextualisierung) verwandelt das, was in einem anderen Kontext ein Miniaturteppich oder Wandteppich wäre, in ein Kunstobjekt.

Der performative Titel der Arbeit In der Tiefe der Zeit liegen die Antworten auf die Fragen, die in der Tiefe liegen fungiert als Gedicht, das einen zeitgenössischen Kommentar zu Arbeit und Zeit liefert. In einer neoliberalen Ära, in der sich alles beschleunigt, um die Produktivität zu optimieren, ist die Rückkehr zu traditionellen, sehr langsamen Produktionsmethoden für Michelle Schmollgruber eine Form des Kampfes um die Wiederaneignung der Zeit. Die Bilder bestehen aus 24.124 handgefertigten Knoten, und um sie herzustellen, muss man sich Zeit nehmen („die man normalerweise nicht hat“), und wenn man sich diese Zeit wieder nimmt, entsteht ein intellektuelles und kreatives Potenzial, das das Subjekt in die Tiefe der Reflexion bringt und es von der angespannten Hektik von heute befreit. Daher fungiert die Produktionsmethode, die extrem langsam und Zeit „konsumierend“ ist, hier als eine Art visueller und textueller Vermittler oder Träger von Weisheit über Langsamkeit und Verlangsamung der Zeit, über Methoden der Unabhängigkeit des Verfügens über die eigene Zeit.

Die beiden Gemälde von Nikolina Žunec gehören zu der Serie Prinzessinnen (2023-fortlaufend), die als dreizehn Malereien im Stil von Kinderzeichnungen konzipiert sind. Indem sie Materialien mischen und sich über realistische Darstellungen und Proportionen hinwegsetzen, zelebrieren diese Werke die unkonventionelle Art und Weise, in der sich Kinder der Kunst nähern. Vergrößert auf das Format eines 100 x 150 cm großen Gemäldes gewinnen die Zeichnungen der Prinzessinnen eine Monumentalität und Aufmerksamkeit, die man der ephemeren Kinderkunst normalerweise nicht zuteil werden lässt. Die Verwendung des Stils der „Art Brut“ oder „Outsider Art“ ist in diesem Fall eine konzeptionelle Entscheidung, die sich auf den künstlerischen Ausdruck von Minderheiten und Menschen bezieht, die am Rande des kapitalistischen Marktes stehen. Nikolina Žunec, die sich als Künstlerin mit Migrations- und Ausgrenzungserfahrung eng mit dieser sozialen Gruppe identifiziert, kritisiert kapitalistische Monokulturen, die Hegemonie von Stilen, Geschmäckern und Diskursen und deren privilegierten Zugang zur Kunst.

Auf den ersten Blick sehen die beiden ausgestellten Bilder unschuldig und lustig aus, doch bei näherem Hinsehen offenbaren sie eine unheimliche Bildsprache mit ungehemmten Formen, unorthodoxen Beziehungen zu Körperformen und alternativen Konzepten von Schönheit. Körperteile morphen und verwandeln sich ineinander oder verschwinden. Das kulturell und gesellschaftlich vermittelte Bild der Prinzessin, das eine Ambivalenz von Ermächtigung und Passivität in sich trägt, erfährt eine gewisse Form der Verzerrung und Umschreibung. Selbst wenn sie absichtlich einige konventionelle Elemente reproduzieren, reflektieren diese Bilder den Status der Prinzessin als Superheldin in der Vorstellung der Mädchen, die als mächtige, selbstbewusste Figur und Anführerin wahrgenommen wird. Diese Arbeiten adressieren die Demokratisierung von Kunstformen, aber schärfen auch das Bewusstsein für Body Positivity, die Erziehung von Kindern und ganz allgemein die Stellung von Kindern in unserer Gesellschaft, ihre Diskriminierung und ihre Rechte. Nikolina Žunec, die als Künstlerin, Kunsttherapeutin und Dolmetscherin arbeitet, sieht ihre Arbeit als einen Aufruf zur Entwicklung von Diversität, Inklusion, Autonomie und Souveränität.

Katharina Cibulka initiierte 2018 in Innsbruck das feministische Kunstprojekt im öffentlichen Raum SOLANGE, zunächst als Soloprojekt. Mittlerweile entwickelte es sich zu einem seriellen, kollektiv und partizipativ erarbeiteten Projekt mit internationaler Ausrichtung. Die Ausstellung präsentiert SOLANGE in Form einer Videodokumentation sowie eines großen Textilfragments, stellvertretend für die bislang 29 in sieben Ländern realisierten Installationen.

Der Komplexität des Werks liegt unter anderem der herausfordernde Verhandlungsprozess mit den nach wie vor männlich dominierten Institutionen der Bauindustrie zugrunde. Sorgfältig für die jeweiligen Orte konzipierte Botschaften werden auf Gerüstnetze von Großbaustellen gestickt und an eingerüstete Fassaden montiert. Die mit rosa Tüll im traditionellen Kreuzstich gefertigten und mit pinken Kabelbindern auf die Netze drapierten Sätze formulieren eine regional kontextualisierte Message, deren Kern jeweils die Satzteile „Solange“ [...] „bin ich Feminist:in" enthalten. Die Künstlerin spricht in den SOLANGE-Sätzen den Status quo patriarchaler oder anderer gesellschaftspolitischer Missstände an, der unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln erfordert (zum Beispiel Netz # 11, Akademie der bildenden Künste Wien: As long as diversity is not state oft the heart, I will be a feminist / Solange Diversität nicht Herzenssache ist, bin ich Feminist:in).

Die künstlerische Methode des Kreuzstichs und seine Ästhetik verweisen auf die historisch feminisierte Domäne der Handarbeit, die im patriarchalen Kontext auf den häuslichen Raum reduziert wurde. Stickten Frauen einst winzige Monogramme und „Sinnsprüche“, so zoomt Cibulka ihre Aussagen ins Überdimensionale. Durch diese Skalierung besetzt sie den öffentlichen, d.h. politischen Raum und transformiert ganze Fassaden in diskursive Plattformen. Indem sie die Maßstäbe umkehrt und das, was einst eine handgefertigte Miniatur war, zu riesigen Fassadenbildern (von zwei- bis sechshundert Quadratmetern) vergrößert, stellt die Künstlerin Slogans in den öffentlichen Raum, die unübersehbar auf feministische Themen hinweisen.

Um die Dimension und Materialität des Projekts zu veranschaulichen, wird Im Rahmen der Ausstellung ein SOLANGE-Netz gezeigt (Netz # 13, Goldenes Quartier, Wien: As long as he makes the cash while I work for change, I will be a feminist / Solange er auf Profit setzt und ich auf den Wandel, bin ich Feminist:in). Begleitet von dem kurzen Dokumentarfilm Come join us in spreading equality! (2024) geht es bei der Präsentation in der Ausstellung nicht um ein einzelnes Objekt, sondern um das Gesamtwerk. Zum SOLANGE-Team gehören: Tina Themel, Vivian Simbürger, Margarethe Clausen, Marie Themel, Claudia Eichbichler.

„Schwarz auf Blau“ Innsbrucker Alltagsgeschichten (2020-23) ist ein Performance-Projekt, das den antirassistischen Kampf von vier Frauen* in Innsbruck, die bei einer rechten Kundgebung protestierten, in den Mittelpunkt stellt und auf realen Erfahrungen beruht. Das von der Initiative Schwarze Frauen* Innsbruck und dem Verein Zweitgeschichte ins Leben gerufene Projekt nimmt die historische bürgerliche Form des „Papiertheaters“, die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts populär war, wieder auf. Ziel ist es nicht, das Mainstream-Theaterrepertoire neu zu inszenieren, sondern eine eigene Historie/eine Herstory des Widerstands zu schreiben. Durch die kollektive Erarbeitung des Stücks und seine öffentliche Aufführung ist das Projekt auch ein Aufruf zum Community Building und zur intersektionalen Solidarität (Personen aus verschiedenen marginalisierten Gruppen waren an der Erarbeitung des Stücks beteiligt). Der Titel bezieht sich auf die vergangene Koalition zwischen der extremen Rechten und den konservativen Parteien (blau-schwarze Koalition), deren Herrschaft mit dem Korruptionsskandal im Zusammenhang mit den berüchtigten „Ibiza-Videos“ endete. Die Projektmacher*innen stellen jedoch ihren eigenen Kampf in den Vordergrund („Schwarz auf Blau“), indem sie die weit verbreitete Xenophobie und den Rassismus in Innsbruck sowie die Erfahrungen von Korruption im Leben der Protagonist*innen der Geschichte kommentieren, die mit dem aktuellen Aufschwung rechter Politik neue Aktualität gewinnen.

In der Ausstellung wird das bunte Bühnenbild des Papiertheaters präsentiert, begleitet von einem Trailer, der die neue Aufführung anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus am 21. März ankündigt. Einige der an dem Projekt beteiligten Schauspieler*innen werden interviewt und erzählen von ihren Erfahrungen. Die Bühne umrahmt das Wahrzeichen und die Touristenattraktion der Stadt, das Goldene Dachl aus dem 15. Jahrhundert in der Altstadt mit dem Panorama der Nordkette im Rücken. In ihrer Mitte befinden sich die Aktivist*innen, die Polizei und andere Bürger*innen, umgeben von aktivistischem Material, Megaphonen, Sprays und Transparenten (es gibt verschiedene Szenen und Bühnenbilder, die bei der Live-Aufführung des Stücks ausgetauscht werden). Die grafische Ästhetik der violetten und rosa Farben erinnert an die visuellen Darstellungen der feministischen Bewegung, während der gesamte Aufbau einen Feminismus betont, der über eine „weiße“ Perspektive hinausgeht und intersektionale Solidarität beinhaltet. Auf humorvolle und kreative Weise erlebt das Publikum mit der mobilen Bühne des Papiertheaters die widersprüchlichen Ereignisse aus der Perspektive von vier *Schwarzen Frauen* im Widerstand in Innsbruck.

In ihren beiden Ölgemälden mit dem Titel Breath (2022) greift Michaela Schwarz-Weismann das wichtige Thema des Ruhens und Pausierens als Teil des feministischen Handelns nicht nur im Sinne des Auftankens, sondern als Wert an sich auf. Die beiden weiblichen Torsi sind in einem Moment, kurz nachdem sie eingeschlafen sind oder sich zur Ruhe gelegt haben, um sich auf dem Boden, im Bett oder irgendwo in der Natur auszuruhen, eingefangen (eine von ihnen ist ganz in das Sonnenlicht getaucht). Wenn wir diese Arbeiten sehen, verzaubern sie uns sofort mit ihren ansprechenden Formen, Farben und ihrer ruhigen Energie und wir möchten vielleicht an der Stelle dieser beiden Frauen* sein, die hier porträtiert wurden, oder ihnen nahe sein. Auch wenn es sich bei diesen beiden Kunstwerken um zwei getrennte Gemälde handelt, so sind sie doch, zusammen installiert, miteinander assoziiert und bilden zwei verbundene Körper. Für Michaela Schwarz-Weismann ist Breath das, was uns unsichtbar miteinander verbindet, und die Gemälde übersetzen die Sehnsucht nach Gemeinschaft, Freundschaft, Geborgenheit, Verlässlichkeit und Vertrauen (die beiden porträtierten Frauen* sind enge Freund*innen der Künstlerin). Darüber hinaus verweist Breath auf zwei entscheidende Aspekte des Lebens, nämlich das Atmen als lebenserhaltende Tätigkeit und als Technik der Gelassenheit.

„Wenn wir uns bewegen, ist es eine Bewegung“ – Ausstellungstitel und Slogan vermitteln, dass die sozialen Bewegungen Aktionen erfordern, damit sich die ungerechten Verhältnisse ändern. Aber sie erfordern auch Entspannung, ruhige Momente, nicht produktiv zu sein, zu schlafen und zu träumen oder oft einfach nur zu ruhen, um überhaupt träumen zu können (buchstäblich und metaphorisch). Das Thema der kollektiven Fürsorge und Selbstfürsorge ist in letzter Zeit als Diskurs des Widerstands gegen die neoliberale (Selbst-)Ausbeutung breit diskutiert worden (und das nicht ohne Ambivalenzen). Die künstlerische Praxis von Schwarz-Weismann trägt zu diesen Überlegungen künstlerisch bei. Die Wiederaneignung von Raum und Zeit zum Ausruhen ist auch ein Akt des Protests gegen den Produktivitätsimperativ um jeden Preis, der unser heutiges Leben beherrscht und der uns manchmal das Atmen schwer macht. Indem sie diesen Moment im Medium der realistisch-figurativen Malerei mit expressionistischem Einschlag malt, die Stille dieser Sehnsucht einfängt, stellt Michaela Schwarz-Weismann ein großes Bedürfnis der heutigen Zeit dar.

Der kleinere Raum des Kunstraums Innsbruck ist als Ausstellungsraum und als Lesesaal mit Büchern über Feminismus und feministische Kunst, Künstler*innenkatalogen und auch Materialien über die feministischen Bewegungungen, ihre globalen und translokalen Perspektiven und Positionierungen gedacht. Pädagogisches und aktivistisches Material aus dem AEP – Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft wie der Teil des Projekts Feminism Loaded. Eine Ausstellung zu Feminismus und Frauenbewegung (2016, 2019) mit dem Schwerpunkt „Globaler Feminismus“, eine Audioinstallation mit Texten aus der Frauenbewegung und das AEP-Magazin Feminism Loaded (2023) werden präsentiert (Projektteam: Lisa Gensluckner, Katerina Haller, Monika Jarosch, Gabi Plattner, Angelika Schafferer, Stefanie Knoll, Marlene Erkl, Katharina Hölbling, Birgit Oberdorfer). Weiters werden die Plakate der Frauen*vernetzung - für Begegnung und Austausch Tirol ausgestellt, darunter einige der vergangenen Plakate für den 8. März und für die Kampagne 25 Tage gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen, gestaltet von lokalen Künstler*innen wie Gina Disobey, Alice Stanojevic, Lucia M. und Subversiv Nachtaktiv. Außerdem zeigt ein Kunstwerk von Monika K. Zanolin die Einbettung der lokalen feministischen Bewegung in die Politik der Solidarität und Verbundenheit.

Monika K. Zanolins Wünsche (2016) ist eine Videoarbeit, die das Format des Closeup Porträts und des Interviews kombiniert und es mit dem Lärm der Medienberichterstattung kontrastiert. Indem sie einundzwanzig Personen mit dem Status von Asylbewerber*innen interviewt, die sich 2016 im Geflüchtetenheim Trientlgasse in Innsbruck aufhielten, ermutigt Zanolin zur Praxis des Zuhörens. In einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs stark von der rechten Politik beeinflusst wird (die sogenannte „Flüchtlingskrise“), in der Menschen, die auf der Flucht sind, nicht willkommen sind, sondern mit einer Reihe von Ausgrenzungen konfrontiert sind (von Erfahrungen mit täglichem Rassismus bis zum Fehlen des Grundrechts auf Arbeit), konzentriert sich die Künstlerin statt bloß zu kritisieren auf den produktiven Ansatz der „Kontaktzone“. Sie fragt „aber was ist dein Wunsch, was wünschst du dir?“ Personen mit den unterschiedlichsten Profilen und Bildungsgeschichten beantworten diese Frage spontan in verschiedenen Sprachen, was eine andere Realität der Stadt Innsbruck als Ort des mehrsprachigen und multikulturellen Lebens visualisiert. Dieses Video, das seit 2016 nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, ruft dazu auf, sich zu nähern statt zu distanzieren, sich kennenzulernen statt zu ignorieren. Sich etwas zu wünschen, bedeutet, lebendig zu sein, eine Vision von der Zukunft zu haben, auch wenn es schwierig ist. Der Untertitel der Arbeit „... aber das Wünschen behauptet, dass so einer noch in der Art von Welt lebt, in der gewünscht werden darf“, ist ein Zitat aus dem Buch, das sich im deutschen Kontext mit dem gleichen Thema beschäftigt, Gehen, ging, gegangen von Jenny Erpenbeck.

Schließlich werden die Performances, die bei der Ausstellungseröffnung stattfinden, im Eingangsbereich in Form einer Videodokumentation prä-sentiert: Milchstrassentanz, eine Feuerperformance von Urbeil (im Schutze der Burschenschaft Furia zu Innsbruck) sowie das Konzert der Comedian Feminists. Anknüpfend an die Tradition der musikalischen Satire singen die Comedian Feminists bekannte Lieder und Schlager aus den 1920er Jahren mit Texten zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen.


Text: Ivana Marjanović

* Reference Exhibition Title: "When We Move, It’s a Movement!": Rdeče Zore Festival as a Feminist-queer Counterpublic by Tea Hvala (2010)

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