Ausstellung
06.06.20 – 01.08.20

TIERISCH - INA HSU

ÜBER SYMBIOTISCHE BEZIEHUNGEN UND ÜBERLEBENSSTRATEGIEN
TIERISCH - INA HSU

Einzelausstellung von Ina Hsu, kuratiert von Ivana Marjanović, Leiterin Kunstraum Innsbruck

Ausstellungsbeginn: Freitag 05.06.2020 16:00 (Informationen zu Zugangsbeschränkungen eine Woche vorher*)

Ausstellungsdauer: 06.06. bis 11.07.2020 verlängert bis 01.08.20!

In der Ausstellung Tierisch visualisiert Shian-Fong Hsu a.k.a. Ina Hsu imaginative Möglichkeiten des Zusammenlebens von Tieren und Menschen. Tapire, Affen, Bären, Bienen und Menschen suchen Raum und Ressourcen zum Leben. Ina Hsus Werke erzählen von der planetaren Verbundenheit aller Lebensformen und wie ihr Zusammenleben anstatt in gegenseitiger Ausbeutung spielerisch, solidarisch organisiert werden könnte in mitunter gefährlichen aber definitiv voneinander abhängigen Beziehungen. Anstatt zu moralisieren oder zu urteilen, ist Hsus künstlerische Arbeit inspirierend und einnehmend. Sie ist ein Aufruf, uns künftig umsichtiger zu verhalten angesichts der Verquickung allen Lebens auf Erden und der wechselseitigen Abhängigkeit der Spezies.

Shian-Fong Hsu a.k.a. Ina Hsu wurde 1976 in Innsbruck in eine taiwanesische Familie hineingeboren. Sie lebt und arbeitet als Malerin, Illustratorin und Pädagogin in Kufstein und Innsbruck.

Abbildung: Ina Hsu, A bath on Sunday night, Ausschnitt, 2016

*Wir freuen uns den Kunstraum Innsbruck mit einer neuen Ausstellung wieder öffnen zu können. Wir werden die Öffentlichkeit eine Woche vor dem Termin des Ausstellungsbeginns über die Bedingungen für den Besuch informieren. Aufgrund der COVID-Bestimmungen wird es kein großes Eröffnungsevent geben und wir werden im Juni keine Veranstaltungen organisieren. Wir bieten aber Gratisführungen auch für einzelne Besucherinnen und Besucher an. Fragen Sie bitte am Empfang oder buchen Sie über office@kunstraum-innsbruck.at

Online-Programm: Instagram, Facebook, Webpage/ Newsletter

Die Ausstellung präsentiert Kunstwerke, inspiriert von genauer Naturbeobachtung, von fiktiven Geschichten über Tiere, aber auch von Sorgen um die andauernde ökologische Schädigung des Planeten. Verschiedene Weltanschauungen, kreative und wissenschaftliche Traditionen, inklusive solcher aus dem globalen Süden, durchdringen Ina Hsus Arbeit. Die Erfahrungen ihrer Kindheit in Tirol, nie ganz dazugehörend, und des Lebens mit Tieren und der Liebe zu ihnen, als Begleiterinnen und Kameraden, sind einige der wichtigen Impulse ihrer Arbeiten. Ihre großformatigen, naturalistisch gemalten Bilder zeigen Tiere (und manchmal Menschen), die in einem freien Habitat koexistieren. Die realistischen, sorgfältig und präzise gestalteten Subjekte von Hsus Abbildungen stehen im Gegensatz zu den monochromen Hintergründen, welche die Stärke der ProtagonistInnen hervorheben.

Tierisch feiert die Macht des Lebens, der Tierwelt und die Schönheit, die in symbiotischen Beziehungen liegt, die wiederum die Grundvoraussetzung für Evolution und Überleben (auch für uns Menschen) sind. Dies ist die Geschichte der Wunder der Natur, deren Teil auch wir sind. Auf tierische Art, auf „natürliche“ Art lösen sich die Grenzen zwischen den Spezies auf. Die Autonomie und Integrität von Mensch, Tier und Pflanze verschwimmt, wodurch der Fokus auf die Welten des Zusammenlebens und symbiotischen Allianzen von Co-Spezies gelenkt wird.

Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die seit 2014 entstanden sind, einschließlich einer Reihe von neuen Bildern, die 2019 und 2020 speziell für die Ausstellung im Kunstraum Innsbruck produziert wurden. Die Präsentation teilt sich in mehrere Kapitel, die die konzeptuellen Einheiten abbilden basierend auf den Motiven und Narrativen der Ausstellung.

 

Prolog. Das Gesetz der Anziehung

Die Ausstellung beginnt mit dem Bild „Shall I, or shall I not“ (2020), auf dem ein Känguru dargestellt ist, das Kaugummi kaut und Blasen macht, wodurch Vögel und Insekten angelockt werden. Seite an Seite mit einem Selbstporträt der Künstlerin, die ebenfalls eine Kaugummiblase macht (2016), bildet es eine Einheit: die Künstlerin als Mitglied der Spezies des menschlichen Tiers, dessen künstlerische Welt wir betreten, und die anderen Tierspezies, die diese Welt bevölkern. Eine spielerische, fröhliche Atmosphäre durchzieht diese Bilder, aber auch ein Gefühl der Unsicherheit. Wäre es möglich, hier in eine seltsame klebrige Falle zu tappen? Die Ausstellung beginnt also mit einem Widerspruch. Der Planet Erde ist ein Ort der Wunder, ein magischer Ort, aber auch ein Schauplatz der Gefahr und der Angst. In der nächsten Szene (dem Bild „Emma“ von 2015) flüstert Ina Hsu, wie in einem Märchen auf einem übergroßen Kaninchen sitzend, dem Tier etwas ins Ohr, während dieses aufmerksam lauscht. Was führen die beiden im Schilde?

Im Hauptausstellungsraum begegnen uns zunächst Bilder von wilden Tieren aus verschiedenen Winkeln der Erde, einschließlich jener, die noch die Wälder der Alpenregion bewohnen, als auch von gefährdeten Arten, die in nächster Zukunft auszusterben drohen.

Überlebensstrategien. Auf der Suche nach Gleichgewicht

Auf der Erde zu überleben, bedeutet für viele wilde Tiere, Lösungen zu suchen, um sich den Menschen anzupassen. Es bedeutet, Wege zu finden, während sie als Arbeitskräfte für Menschen ausgebeutet werden. Es bedeutet an künstlich für Tiere geschaffenen Orten zu leben, nach Alternativen in beengten Naturräumen zu suchen, die von Entwaldung, der Stauung von Flussläufen und andere Eingriffen beeinträchtigt sind, wie sie für das Anthropozän typisch sind (jenes gegenwärtige geologische Zeitalter, charakterisiert durch die zerstörerischen menschlichen Einflüsse auf Klima und Umwelt).

In diesem Kontext muss der asiatische Tapir, als nachtaktives Tier, das sich gern im Wasser aufhält, sein Sonntagabendbad in einem aufblasbaren Planschbecken nehmen, wo es seine Affenfreunde trifft, den Weißbüschelaffen und den Rotschenkligen Kleideraffen. Während sie ihren Sonntagsplausch halten, von einer gewissen Melancholie durchzogen, ruhen und entspannen sich diese Gefährten und machen das Beste aus ihrer Situation („A bath on Sunday night“, 2016). Das Amazonastamarinweibchen, auf einem anderen Bild in der Nähe dargestellt, genießt ebenfalls die Nachtruhe und macht Blasen, diesmal jedoch nicht, um Menschen zu unterhalten, sondern ihre Babys, die sie auf dem Rücken trägt („Blowing Bubbles“, 2014). In der nächtlichen Dunkelheit versuchen Kolibris, Fledermäuse und Hummeln, Nektar aus einer riesigen aufblasbaren Plastikblüte zu saugen („The Great Nature Banquet“, 2020). Im Licht des Tages wiederum klettern drei Pandas einer auf die Schultern des anderen und versuchen dabei, ein schwieriges Gleichgewicht mithilfe einer Wassermelone zu halten („Das Panda Spiel“, 2016). Der Titel verweist auf ein Spiel. Aber angesichts der Funktion des Tiers als Symbol für den gegenwärtigen Stand der Dinge in Sachen Ökologie verweist er auch auf den Überlebenskampf, den Mangel an Lebensraum sowie die Bedingungen der Gefangenschaft im Zoo. Drei Kiwis, jene emblematischen Vögel aus Neuseeland, die nicht fliegen können und deren Gefieder wie Fell aussieht, geben ähnliche akrobatische Balanceakte zum Besten, während sie zur selben Zeit versuchen, einen fliegenden Maikäfer mithilfe von Blumen als Lockmittel zu fangen („Süßer Nektar“, 2019). Alles Leben auf unserem Planeten befindet sich in einem fragilen Gleichgewicht. Die Beseitigung eines einzigen Elements wird sich auf alle anderen auswirken. Um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. Dabei beobachten wir wie die Tiere scheinbar Unmögliches vollbringen.

Spiele spielen. Co-Habitation und Symbiotische Allianzen

Die Atmosphäre des Spielerischen, als konstruktive Kraft im Umgang mit den Herausforderungen des Anthropozäns, setzt sich auch fort sobald Menschen die Szene betreten. Die Personen sind „Platzhalter“ und ihre Auswahl ist zufällig, sie spiegeln die Umgebung der Künstlerin wider. Das Spielen wirft hier Fragen nach der Ernsthaftigkeit der Absichten auf, nach Machtverhältnissen und Rollen, aber es verweist auch auf eine Möglichkeit und bietet einen Vorschlag zur Aufrechterhaltung respektvoller Beziehungen, wo Lebewesen einen Raum teilen („Caro“, 2014; „Das Versteck der Muntjacks“, 2014).

Mit „Maria II“ (2015), wo eine Frau nicht nur zum Spielplatz für Tiere wird, nämlich für Streifenhörnchen (siehe „Maria I“, 2015), sondern sogar als Ökosystem erscheint, das andere Ökosysteme beinhaltet, nimmt diese andere Geschichte des Teilens und der Rücksichtnahme einen geradezu emblematischen Stellenwert von Inter-Spezies-Beziehungen an. Die Frau ist Habitat sowohl für Pflanzen als auch für Tiere und sie sind Habitat für sie. Hier sind wir bei der Grundaussage von Ina Hsus Arbeit angelangt: Dies ist eine Welt der Symbiose, der symbiotischen Verquickung. Das Bild, auf dem Moos dargestellt ist, wie es auf der Haut der Frau wächst, inszeniert das, was im Falle von Menschen nur auf mikroskopischer Ebene sichtbar ist, nämlich dass der menschliche Körper nicht nur menschlich ist. Zumindest zur Hälfte besteht er aus nicht-menschlichen Zellen verschiedener Mikroorganismen. Und das gilt für alles Leben auf Erden. Alle Körper sind vielfältige Ökosysteme. Die Natur ist ein Netzwerk von symbiotischen Partnerschaften, die das Leben aufrechterhalten. Co-Habitation ist kein Ziel. Sie ist eine Tatsache des Lebens. WissenschaftlerInnen haben gezeigt, dass die kleinsten Veränderungen in diesem komplexen Netzwerk (oder, schlimmer noch, der Verlust einer Spezies) eine Kettenreaktion auslösen und verheerende Auswirkungen auf die Erhaltung des Lebens haben können (auch für die Menschen). Hsu appelliert hier sogar für noch mehr Anstrengungen, sowohl physisch als auch emotional, gerade so wie die Frau sie unternimmt, mit ihrer seltsamen Haltung, mit der sie Platz macht für all das unterschiedliche Leben „ihres“ Körpers.

Eine Reihe von imaginären Ökosystemen, in denen Tiere und Pflanzen miteinander gedeihen, wo Körper andere Körper beinhalten und Organismen andere Organismen als kreative Vision umfangen, und all das im Kontext der Ressourcenknappheit, entfalten sich vor unseren Augen. Ein Königreich von Pilzen verwächst mit den Lebenswelten anderer Pflanzen und Tieren und entfaltet die symbiotische Kraft des Lebens auf Erden („Drei Tiger und die Mandschurenkraniche“, 2014; „Forest I“, 2015; „Hidden Habitat“, 2016; „Forest II“, 2016; „New Habitat“, 2019; „Mobile Habitat“, 2020).

Sammelsurium. Post Scriptum

Die Ausstellung endet im Projektraum, dem kleineren Ausstellungsraum des Kunstraums Innsbruck, wo einige ausgewählte Materialien aus dem Atelier der Künstlerin einen Einblick in ihre Arbeitsprozesse und Inspirationen geben. Gezeigt werden Notizen, Studienmaterialien, Fundstücke aus der Natur, Bücher etc., sowie ein paar zusätzliche kleinere Arbeiten auf Papier und einige kleinformatige Bilder auf Holz.

In ihren Tierbildern mit monochromen Hintergründen an denen Ina Hsu seit 2010 arbeitet, rückt die Auslassung des Raums, in dem die Tiere leben, die Akteure selbst in den Mittelpunkt. Sie visuell aus ihrem Kontext zu isolieren (mit oder ohne Menschen) ist die Methode der Künstlerin, um die Kraft und Schönheit des tierischen Lebens hervorzuheben. Folglich streifen die wilden Tiere nach und nach die Rolle ab, nur Menschen zu vertreten oder zu begleiten (wie in manchen Märchen und anderen Geschichten). Indem sie im Lauf der letzten Jahre ihre Porträttechnik in eine noch realistischere Richtung entwickelt hat, die selbst-referenziellen künstlerischen Gesten von tropfender Farbe und schnellen Pinselstrichen (der vorangegangenen Schaffensphase) aufgebend, vertieft Ina Hsu ihren Beitrag zur langen (Kunst-)Geschichte der Beziehung zwischen Mensch und Tier, der Darstellung von Tieren und schafft damit eine inspirierende Vision angesichts der aktuellen Debatten über die Zukunft des Lebens und Sterbens auf der Erde. Es ist eine Vision vom Zusammenleben von Menschen und wilden Tieren, eine Vision, die sich sehnt nach einer Welt, in der Menschen und Tiere den Planeten gleichberechtigt in gegenseitiger Rücksichtnahme teilen könnten. Uns begegnet eine kreative Vision in den Tagen der pandemischen Krise. Sie soll uns anregen darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft auf diesem Planeten leben wollen und können.

* Das Buch Arts of Living on a Damaged Planet. Ghosts and Monsters of the Anthropocene ist eine großartige Quelle der Information zu diesem Thema (University of Minnesota Press 2017, Hg. Anna Lowenhaupt Tsing, Heather Anne Swanson, Elaine Gan und Nils Bubandt)

** Vgl. den Text von Rosanna Dematté und Ina Hsus Arbeiten in dem Katalog Ina Hsu, Beloved Beast von 2012 und die Webpage der Künstlerin www.ina-hsu.com

Text: Dr. Ivana Marjanović, Leitung Kunstraum Innsbruck

 

Biografie

Shian-Fong Hsu a.k.a. Ina Hsu wurde 1976 in Innsbruck in eine taiwanesische Familie hineingeboren. Sie lebt und arbeitet als Malerin, Illustratorin und Pädagogin in Kufstein und Innsbruck. Ausbildung: IFOG Akademie für Graphik-Design, München, Diplom 1996; Kunstuniversität Linz, Malerei und Graphik (Ursula Hübner), Diplom 2006. Zahlreiche Projekte, Stipendien und Preise. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl), z. B. Found Paradise, Galerie im Andechshof, Innsbruck; Kunst im Studio – Ina Hsu, ORF Landesstudio Tirol, Innsbruck; … oh rainbow – Sonderschau Junge Kunst, ART Innsbruck; BELOVED BEAST, UNO St. Claude Gallery, New Orleans (USA); IN THE BACK OF BEYOND, Galerie Goldener Engl, Hall in Tirol; Voyage à contre-courant, Parallel Vienna, Wien.

Weitere Informationen: http://www.ina-hsu.com/