Seeding Circles

Kuratiert von Ivana Marjanović
FR 07.03.25 ERÖFFNUNG
19:00 Begrüßung durch Daniela Lanziner Mühlberger (Obfrau), Ivana Marjanović (Leitung),
Aikaterini Gegisian (Künstlerin)
(Beginn um 18:30 Uhr mit Führung durch die Ausstellung)
Die Ausstellung Seeding Circles wird im Rahmen der „8. März“-Veranstaltungen* eröffnet. Sie bietet eine Retrospektive der griechisch-armenischen Künstlerin Aikaterini Gegisian, die in der Diaspora lebt und zwischen Thessaloniki und London arbeitet. Die Ausstellung verbindet aktuelle Interpretationen und Auftragsarbeiten mit neu arrangierten älteren Werken, die von Gegisians Erfahrung durch die Rückkehr zu landwirtschaftlichen Praktiken inspiriert sind. Seeding Circles besteht aus stimmungsvollen Collagen in Form von Bildern, Textilien und humorvollen Videos. Gegisian arbeitet mit der Collage als einer feministischen Methode, die auf eine Neuverteilung der Machtverhältnisse abzielt, und greift dabei auf die Archive der Populärkultur und der Massenmedien der 1960er bis 1990er Jahre zurück. Sie lädt uns ein, die Vergangenheit zu überdenken und neu zu erfinden und gleichzeitig neue Bilder für die Zukunft zu entwickeln, als eine Praxis der Weltgestaltung, die von emotionaler Freude und visuellem Vergnügen geprägt ist. In Seeding Circles geht es um „kleine Dinge“ wie Gartenarbeit, traditionelle Praktiken und dekorative Kunst, die im Lebenskreislauf, in der Natur und in der Kunst eine gleichermaßen wichtige Rolle spielen und alle im Mittelpunkt von Gegisians analytischer und sinnlicher Kunst stehen. Die Ausstellung ist durch das landwirtschaftliche Narrativ eines Gartens konzipiert.
Ausstellung als Collagen für die Zukunft: eine Reise durch visuelle Archive
Seeding Circles vereint drei Serien von erweiterten fotografischen Arbeiten und Videocollagen, die Aikaterini Gegisian in den letzten zehn Jahren produziert hat: What happens if we only see in circles? (2023 - ongoing), Goddesses (2014 - ongoing) und The Manipulator Vlog (2021 - ongoing). Ineinander verwoben, ohne einer chronologischen Reihenfolge zu folgen, konstruieren diese Projekte zusammen mit einigen älteren Arbeiten, die sie begleiten, eine immersive Umgebung der visuellen Welterschaffung.
Seeding Circles zeigt Collagen als fotografische Readymades, aber auch Collagen mit selbstklebenden Punkten oder Trockenblumen, Videoarbeiten und vervielfältigte Collagenfragmente, die zu Tapeten oder Textilmustern verarbeitet wurden. Die Ausstellung ist zugleich eine Premiere der neuen, vom Kunstraum Innsbruck in Auftrag gegebenen textilen Arbeiten, die zum Teil als Special Editions produziert wurden. In Form von Vorhängen, Kissen und restaurierten Sesseln vereinen diese Kunstwerke Gegisians Praxis der Collage als Bilderzeugung mit der Greifbarkeit und Nützlichkeit von Textilien; Fotografie wird in das Räumliche hinein ausgedehnt. Die Collage wird sowohl zum Objekt als auch zur Installation und bietet eine neue visuelle und materielle Erfahrung der flachen fotografischen Oberfläche.
In Gegisians Praxis wird die Collage als ein Medium des Dialogs verstanden, das unterschiedliche Materialien zusammenbringt. Sie ermöglicht gleichberechtigte Beziehungen zwischen Bildern, die westlich-zentrierte Sichtweisen in Frage stellen und vielfältige Bildgeschichten, Wissen und Lebensweisen in der Welt sichtbar machen (zum Beispiel durch die Einbeziehung von Beiträgen aus volkstümlichen Kulturen, alternativen Quellen oder Impulsen aus der angewandten oder dekorativen Kunst, wo historisch gesehen das Terrain weiblicher kreativer Arbeit und Beteiligung viel präsenter war als in der „bildenden Kunst“). Wie Gegisian feststellt: „Wenn man über die Möglichkeiten der Nichtausrichtung nachdenkt, ist es dringend notwendig, die volkstümlichen Kulturen als Prozesse oder Produktionsweisen (Poetik) neu zu überdenken, die nicht aus einer zentralisierten Vorstellungsgeschichte stammen“.*
Darüber hinaus ist Gegisians Arbeit kritisch gegenüber monolithischen Identitätskonstruktionen (national, geschlechtsspezifisch usw.) und schlägt eine transkulturelle Zugehörigkeit vor. Gefundene Bilder, Archivmaterial und persönliche Sammlungen sind die Ausgangspunkte für die Analyse von Machtmechanismen. Ausgehend von diesem Material macht Gegisian neue Vorschläge, die hegemoniale Narrative, die Identität und Erinnerung formen, infrage stellen, Konventionen der visuellen Kultur und Kunst untergraben und visuelle Impulse für ein anderes Storytelling vorschlagen. In ihren Erzählungen sind Frauen* nicht Objekte des patriarchalen Blicks oder der nationalen Repräsentation, sondern freie Subjekte. Der weibliche Körper und die Sexualität werden dem patriarchalen Blick entzogen und verselbständigen sich in ihrer sinnlichen Lust und erotischen Freude. Dieses Vorgehen bezeichnet Gegisian als „Widerstand gegen die Kommodifizierung des Körpers, der Gefühle und der Erfahrungen“. Gegisians Praxis ist ein wichtiger Beitrag zum Projekt der Neudefinition des visuellen Vergnügens aus einer feministischen Perspektive.
Die in der Ausstellung Seeding Circles präsentierten Kunstwerke tragen zu Gegisians Mission bei, Bilder zu transformieren. Der Schwerpunkt liegt auf Bildern, die den weiblichen Körper, die Natur und Landschaften darstellen und in den Mainstream-Medien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts produziert und verbreitet wurden. Obwohl die verwendeten Materialien aus sehr unterschiedlichen Quellen und Geografien stammen, wie z. B. National Geographic Magazinen, Bergsteigerexpeditionen, Fotoalben von Wildtieren und Fotoalben, die volkstümliche Kulturen dokumentieren, schafft Aikaterini Gegisian einen imaginären Raum, der nicht durch Grenzen, Geografie oder feste Zugehörigkeiten definiert ist. Vielmehr entwirft sie einen fragmentarischen Vorschlag für eine andere, im Entstehen begriffene Welt, die auf einer neu durchdachten und neu erdachten visuellen Genealogie der Welt der Bilder beruht.
Die Konzeption der Ausstellung ist inspiriert von den Erfahrungen der Künstlerin in Ackerbau und Gartenarbeit. Die Überlegungen zu Nutzpflanzen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Sonnenlicht verflechten sich mit einem Überdenken der Mythologie in Bezug auf die Produktivität des Bodens, die Position des weiblichen Subjekts in der Welt, den Platz der Peripherie und die Produktionsmittel. Verschiedene Herausforderungen, wie Pandemien, immer mehr Trockenheit, stellen die Krise in den Kontext dieser Kunstwerke.
Der Prozess der Analyse von Bildern, die die Künstlerin mit Hingabe gesammelt hat, besteht, wie gesagt, in der Dekonstruktion der hegemonialen visuellen Machtverhältnisse, die in Lifestyle-Magazinen, Touristenbroschüren und anderen populären Quellen vorherrschen. Der Schwerpunkt von Aikaterinis Arbeit liegt jedoch nicht darauf, zu zeigen, wie zerstörerisch geschlechtsspezifische, nationale und andere ausgrenzende Repräsentationsmechanismen sind. Vielmehr geht es ihr darum, diese Systeme zu erschüttern und in eine Krise zu bringen, indem sie „unangemessene Dialoge“ führt oder einfach die Bilder übernimmt und sie (oder ihre Teile) in einen anderen Kontext stellt und somit neue Konstellationen schafft. Durch diese performative Geste verändert sie das „Schicksal“ und die Funktion von Archivbildern.
Als „Bildermacherin im Herzen“, wie sie sich selbst bezeichnet, schafft Aikaterini Gegisian neue Bilder, die weiter gehen und etwas Neues, etwas Beruhigendes, etwas zum Träumen, sogar auch etwas Unklares und Mehrdeutiges bieten. Sie nennt diese Praxis „worldmaking“, einen Prozess, in dem sie nach neuen Sprachen sucht, neue Bildwelten schafft und neue Richtungen vorschlägt, die sich von den problematischen Bildgeschichten lösen. Arbeiterinnen aus der Textilindustrie der Vergangenheit werden zu Visionärinnen der Zukunft. Obwohl der Weg dornig ist und düster aussieht, gibt es einen Glauben an eine kontinuierliche Transformation, die über das bloße Überleben hinausgeht. Unglamouröse Gesichter, alltägliche Frauen* in traditionellen oder modernen Kleidern werden zu den Göttinnen des neuen Pantheons weiblicher Kraft, das Gegisian darstellt. Seeding Circles zielt darauf ab, Samen zu pflanzen, die unsere visuellen und mentalen Landschaften nähren und das Gleichgewicht des Kreises bewahren. Der Kreis steht hier für das gesamte Leben als ein umfassendes Prinzip.
Text: Dr.in Ivana Marjanović
*Zitat: Aikaterini Gegisian, Non-Aligned Forms, in LEAP. The International Art Magazine of Contemporary China, June, 2017, p 126-129.
Alle anderen Zitate stammen aus unveröffentlichten Texten der Künstlerin.
AIKATERINI GEGISIAN: TEXTE DER KÜNSTLERIN ZUR SERIE DER COLLAGEN
Vernacular | Rural
Die neuen Projekte und laufenden Arbeiten bilden einen vielschichtigen Dialog zwischen verschiedenen Narrativen (von der Kunstgeschichte bis zu den Geschichten und Archiven der Erde) und zwischen verschiedenen Arten der Kulturproduktion (Lernen von der Erde, Lernen vom Ländlichen, Lernen von den „Anderen“). Als Kritik des „neoliberalen Subjekts“ positioniert, ohne in die Position des „edlen Wilden“ oder in „Selbstorientalisierung“ zu verfallen, erkennen diese Projekte westliche Darstellungsstrategien wie Porträt, Stillleben und Ich-Erzählung an, indem sie sie mit dem Organischen, dem Tier, dem Land, dem Volkstümlichen und dem Ländlichen in eine gleichberechtigte Beziehung bringen. Die Projekte setzen den Prozess der Welterschaffung in meiner Praxis fort, der Schaffung neuer Bildwelten, die neue Formen der Vorstellungskraft sichtbar machen. Auf einer tieferen Ebene geht eine solche Strategie über eine Kritik der dominanten westlichen Bildgeschichten hinaus. Die Produktion neuer Imaginationen ist auch eine Praxis der Dekonstruktion visueller Hierarchien, die bestimmte Imaginationen und Traditionen an den Rand des Denkens stellen, während sie die kontinuierliche Zirkulation visueller Sprachen sichtbar macht.
Der Manipulator Vlog (2021 - ongoing)
YouTube-Kanal, 6 Collage-Videos | Dauer variabel
Der Manipulator Vlog dokumentiert eine Veränderung in meinem Leben und meiner Arbeit während der Coronavirus-Krise vor dem Hintergrund meiner Sammlung von Jugendzeitschriften, die ich während des „Archivierungsfiebers“ der Pandemie wiederentdeckt habe. Die Videos zeigen das Durchblättern von Ausgaben des Magazins Manipulator, denen Amateuraufnahmen meiner Gartenaktivitäten gegenübergestellt sind. Diese wiederum sind mit kulturellen Referenzen aus den 1990er Jahren unterlegt und von einer Voice-over-Erzählung, die meinen veränderten Tagesablauf schildert, begleitet. Der Manipulator Vlog lenkt die Aufmerksamkeit auf Autobiografisches und auf ein intimes Verständnis für das Vergehen der Zeit, da diese mit größeren Bildgeschichten verwoben sind. Indem ich die visuellen Erfahrungen meiner Jugend und deren Einfluss auf meine Erinnerung und Identität neu lese, reflektiere ich über mein Verhalten als Konsument als Teil des neoliberalen Unternehmens, das die Subjektivität im Westen prägt. Indem der Manipulator Vlog den fortwährenden Kampf, die Erde zu kultivieren dokumentiert, wendet er sich ab vom introspektiven Blick auf die Vergangenheit, und, ausgehend von der Magazinsammlung aus den 90ern, konzentriert er sich auf den Spagat zwischen Kunst, Dienstreisen und Zeit für die Pflege des Gartens zu finden. Der Manipulator Vlog hinterfragt kontinuierlich die Konstruktion des „neoliberalen Subjekts“, indem die Geschichte der Erde und der landwirtschaftlichen Arbeit die Dynamik optischer Technologien neu konfigurieren. Das Projekt entspricht der anhaltenden Vorstellung, dass im neoliberalen Kapitalismus das Erzählen einer Geschichte (ein Narrativ) und ihre Verbreitung in den Medien die Macht der Repräsentation ausmachen.
Goddesses (2014 – work-in-progress)
Collagen-Serie mit getrockneten Blumen, Maße variabel
Das „Goddesses Project“ ist eine fortlaufende Collagenserie, die an Darstellungen göttlicher Weiblichkeit in volkstümlichen Kulturen anknüpft. Sie bezieht sich auf weibliche, königliche, spirituelle und mythische Ikonographie, indem sie Porträts von Frauen aus populären Zeitschriften mit getrockneten Blumen collagiert. In Anlehnung an Silvia Federicis Aufruf zu einer „Wiederverzauberung der Welt“ schlägt das Projekt ein alternatives Universum vor, das die weibliche Selbstbestimmung feiert – ein Universum, das auf den flüchtigen Bildern von Frauen in populären Publikationen aus verschiedenen Geografien und Chronologien basiert und sie als kraftvolle, freudige Gesten neu imaginiert. Meine Absicht ist es, mehrere alternative Göttinnen zu schaffen und für jede von ihnen eine spekulative Geschichte zu schreiben, um ein neues Pantheon göttlicher weiblicher Macht zu bilden. Indem ich über die Beziehung zwischen organischen Formen und der statischen Oberfläche des Bildes, zwischen Kosmologien und den Blüten der Erde nachdenke, versuche ich, den Bildern anonymer Frauen, die vom Auge der Kamera erfasst wurden, eine Stimme zu geben. Die ersten beiden Collagen der Serie fertigte ich 2016 an, danach habe ich experimentiert und mehrere Skizzen entwickelt.
What happens if we only see in circles? (2023 – work-in-progress)
Inkjet-Drucke, Größe variabel
What happens if we only see in circles? ist ein neues Werk, das sich in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befindet. Die Serie, die sich mit dem erweiterten fotografischen Feld auseinandersetzt, verwendet gefundene Bilder von Landschafts- und Tierfotografien, die aus einer Vielzahl von Quellen stammen und anschließend mit Klebepunkten collagiert und als großformatige Inkjet-Drucke gedruckt werden. Das Projekt befasst sich mit der widersprüchlichen Geschichte der Fotografie, indem es die frühen Vorstellungen von der Fotografie als Einfangen der Magie der Geister mit dem später vorherrschenden wissenschaftlichen Paradigma der Beherrschung der Natur und des Sichtbaren durch die Fotografie und der Kontrolle der Sichtbarkeit durch den Fortschritt der optischen Technologien verbindet. What happens if we only see in circles? hinterfragt die Vorstellung, dass die Fotografie das Bild der Natur und der Tierwelt darstellen und somit kontrollieren kann.
Text: Aikaterini Gegisian
ÜBER DIE KÜNSTLERIN
Die in Thessaloniki, Griechenland, geborene Künstlerin armenischer Abstammung spiegelt in ihrer Arbeit ihren vielfältigen kulturellen Hintergrund und ihre akademische Genauigkeit wider. Sie promovierte an der University of Westminster in London, und nahm an zahlreichen internationalen Residenzen und Stipendien teil (u. a. im Künstler:innenhaus Büchsenhausen). Ihre Praxis umfasst Video, Fotografie, Installation und mittlerweile auch Textilien, wobei sie die Grenzen der visuellen Kunst immer wieder verschiebt. Aikaterini Gegisian arbeitet als bildende Künstlerin, Filmemacherin, Pädagogin und Forscherin (sie lehrt derzeit an der London Metropolitan University).
Gegisians Beiträge zur zeitgenössischen Kunst sind weithin anerkannt. Ihre Werke wurden in renommierten internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter auf der 56. Biennale von Venedig, wo sie zusammen mit einer Gruppe von Künstler*innen aus der Diaspora den armenischen Pavillon vertrat und den Goldenen Löwen für die beste nationale Beteiligung erhielt. Ihre Werke wurden in bedeutenden Museen und Galerien auf der ganzen Welt ausgestellt, vom Mathaf (Museum of Modern Arab Art) in Doha über das ICP (International Center of Photography) in New York, das National Arts Museum of China in Peking, das MOMus-Museum of Modern Art in Thessaloniki, das IVAM (The Institut Valencià d'Art Modern) in Valencia bis hin zum BALTIC Centre for Contemporary Art in Newcastle. Außerdem befinden sich ihre Werke in den Sammlungen des Victoria & Albert Museum, des Frac des Pays de la Loire, des Middlesbrough Institute of Modern Art, des MOMus Thessaloniki und des California Museum of Photography. Diese umfangreiche Ausstellungsgeschichte unterstreicht Gegisians Status als kritische Stimme im globalen Kunstdiskurs.
*Die Ausstellung ist dem 8. März gewidmet, dem internationalen Tag, der die Errungenschaften feministischer, queerer, intersektionaler, globaler bzw. planetarischer Bewegungen feiert und Forderungen zu aktuellen sozialen und politischen Dringlichkeiten stellt.
VERANSTALTUNGEN WÄHREND DER AUSSTELLUNGSZEIT
WORKSHOP
08.03.25, 13:00 – 17:00
COLLAGE ALS FEMINISTISCHER WIDERSTAND
mit Aikaterini Gegisian
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