PETRIT HALILAJ
Kuratiert von Veit Loers
Die künstlerische Arbeit von Petrit Halilaj ist geprägt von Erinnerungen an seine Kindheit im Kosovo, die er gedanklich in einen utopischen Raum stellt. Halilaj baut eine archaische Welt auf, in der die skurrilen und grotesken Elemente eher dem Fortschritt menschlicher Zivilisation angehören als der Tradition, wenn er zum Beispiel ein Haus aus Schalbrettern, ein Hühnerhaus als Rakete oder mehrere Kubikmeter Erde einer Ausschachtung ausstellt.
Das Archaische ragt sozusagen unversöhnlich in die Welt der Gegenwart hinein als System mit einer eigenen Logik und eigenen Gesetzen ohne atavistisch zu sein. Daraus kann man weder eine Form von Nostalgie und Romantizismus ableiten noch ein Dokument von Migration erstellen. Es sind weniger die metaphorischen Momente wie bei Joseph Beuys oder der Arte Povera, die Petrit Halilaj in der Metamorphose von Fundstücken und Orten als Displacement im Kunstraum versammelt, sondern Signale aus unterbewussten Bereichen, die eine Bild- oder bildhauerische Form und Ausformung erfahren.
Im Kunstraum Innsbruck sind eine Gruppe von Skulpturen und eine Außeninstallation zu sehen, die sich mit der Idee von Zeit, Gedächtnis und Erinnerung beschäftigen. Die Außeninstallation besteht aus einer großen, eisernen Konstruktion, die auf dem Dach des Kunstraums montiert ist und von innen durch vier Deckenfenster sichtbar wird. Ein großes Rad mit einem laufenden Gemälde des Tages- und Nachthimmels dreht sich rückwärts, als liefe die Zeit zurück. Die Gruppe der Skulpturen stellt fünf Bäume dar, die in Hälften geschnitten sind und eine leuchtende, nach unten fließende Farbsubstanz erkennen lassen. Auch diese „Bäume“ können als Symbole von Zeit, Erkenntnis und Erinnerung gesehen werden, die durch den Schnitt ihren kostbaren Inhalt zeigen.
Das gesamte Projekt ist der Versuch in die Zeit zurückzublicken und dabei verlorene Momente - wenn auch in einer durch die Erinnerung gebrochenen Situation - wiederzuentdecken. Auf sehr intime Weise, wie oft bei künstlerischer Recherche, ist die Ausstellung der Privatsphäre des Künstlers gewidmet, seiner Familie vor allem, mit der er seine Kindheit verbracht hat. Zugleich geht es um die ersten nicht verstandenen Erinnerungspunkte im Leben sowie die tragischen Augenblicke des Kosovo-Kriegs. Die Ausstellung versucht einen Weg zurück zu einer Vergangenheit zu finden, in der bestimmte Dinge zurückgeblieben sind, Dinge die in sich eine persönliche, private, intime und verletzliche Geschichte bergen: „I want to go back to the point I want to go on“.
Petrit Halilaj ist 1986 in Kostërrc (Scenderaj) im Kosovo geboren. Im Alter von 13 Jahren flüchtete er mit seiner Familie nach Albanien, wo man in einem Flüchtingslager auf sein Talent als Zeichner aufmerksam wurde. Später konnte er an der Brera in Mailand Kunst studieren und in Italien eine zweite Heimat finden. Mit den Projekten „They Are Lucky to Be Bourgeois Hens„ in drei Versionen in Instanbul, Berlin und Pristina, mit seiner Teilnahme an der Berlinbiennale mit Haus und Hühnern sowie seiner Diainstallation „Cleopatra“ im New Museum in New York wurde er in der Öffentlichkeit bekannt. Heute lebt und arbeitet Petrit Halilaj zwischen Pristina, Bozzolo (Mantua) und Berlin. Ein Katalog zur Ausstellung erscheint als Künstlerbuch, herausgegeben zusammen mit der Galerie Chert, Berlin.
Text: Veit Loers