Ausstellung
13.11.12 – 22.12.12

NEIL BELOUFA

DOCUMENTS ARE FLAT 4.
Neil Beloufa, Untitled, 2010, film still. Courtesy: the artist and ZERO..., Milan.

Kuratiert von Veit Loers

In Neïl Beloufas Raumszenarien verbinden sich gesellschaftliche Themenkomplexe, die jedoch in einem fiktiven Bereich stattfinden, quasi zu Science-Fiction –Theater in der westlichen und in der dritten Welt. Eine irritierende Raumintervention findet statt, die mit Wandelementen, durchbrochenen Glaseinbauten und Videoprojektionen sowie detaillierten Assemblagen und Collagen eine vielschichtige Wahrnehmung ermöglicht. Theater-Displays einer zerstückelten Moderne verbinden sich zu einem Amalgam synästhetischer Reize. Materialien sind Press- und Sperrholzplatten, Papier, Metall und Plexiglas sowie die Kabel von Beamern, Lampen und Lautsprechern.
Die fragmentierten Settings haben als Kernzone oft ein Video, in dem es um Codices von Gesellschaftsgruppen geht. Mysteriöse und skurrile Bild-Wortcollagen oder wie im letzten Film „futuristischer Animismus“ (people’s passion, lifestyle, beautiful wine, gigantic glass towers, all surrounded by water) verwandeln den Ausstellungsraum zum visionären Szenario, das in dystopischer Art schon in seinem ersten grandiosen Video „Kempinsky“ (2007) anklang, in dem Afrikaner aus Mali von ihren Zukunftsvisionen erzählen. In seiner derzeitigen Ausstellung im Palais de Tokyo, Paris, „Les inoubliables prises d’autonomie“ (Die unvergesslichen Vereinnahmungen von Selbständigkeit) hat Neïl Beloufa in einem architektonischen Bühnenbild, das der Besucher durchschreiten muss, 3 Videos platziert, in denen die Leitmotive Macht, Geld und Liebe auf groteske Weise korrumpiert werden.

Im Kunstraum Innsbruck verbindet Beloufa die beiden Rauminstallationen „Documents are flat“, 2010, und Intense Proximity“ (Paris, Triennale), 2012, zu einem installativen Ganzen, in dessen Zentrum der Videofilm „Untitled“ (2010) steht. Beloufas Film geht auf eine tatsächliche Begebenheit zurück. In einem verlassenen algerischen Landhaus sollen sich Terroristen aufgehalten haben. Der zurückgekehrte Besitzer, der Gärtner und die Nachbarn sprechen über ihre Beobachtungen in und vor dem Haus, das sich mit Veranda und Glasfenstern in eine subtropische Naturkulisse öffnet. Die Besetzer haben drei Jahre hier gelebt, gegessen und geschlafen, ohne Spuren zu hinterlassen. Man spürt das Bedrohliche, das imaginär im Raume steht. Alles ist flache Kulisse wie in den gemalten Interieurs afrikanischer Porträtfotografien: die Wandschränke, die Fenster und Türen. Selbst der Garten besteht nur aus einer illusionistischen Fotowand, gemäß dem Vers William S. Burroughs „The sky is thin as paper here…“. Was also ist authentisch? Das Fiktive und Mysteriöse der Zeugenberichte erweist sich nicht nur als narrative Collage, es durchdringt auch die unzähligen Einzelteile der Installation zum bruchstückhaften Mosaik einer multikulturellen Welt, die nicht wirklich verstanden werden kann.

NEIL BELOUFA
ist als Sohn algerischer Einwanderer 1985 in Paris geboren.

Text: Veit Loers

Neil Beloufa, Documents are flat 4, installation view, Kunstraum Innsbruck 2012. Courtesy: the artist and Kunstraum Innsbruck. Photo: Matthias Zifko, 2012.
Neil Beloufa, Documents are flat 4, installation view, Kunstraum Innsbruck 2012. Courtesy: the artist and Kunstraum Innsbruck. Photo: Matthias Zifko, 2012.
Neil Beloufa, Documents are flat 4, installation view, Kunstraum Innsbruck 2012. Courtesy: the artist and Kunstraum Innsbruck. Photo: Matthias Zifko, 2012.