LANDSCHAFT

Landschaft gehört seit Jahrhunderten zu den großen Themen der Kunst. Auch heute, wo die Menschen selbst in die letzten unentdeckten Paradiese vorgedrungen sind und Auswirkungen der Zerstörung immer offensichtlicher werden, hat die Landschaft ihre Qualität als Erfahrungs-, Stimmungs- und poetischer Raum nicht verloren. Dem, der sie betrachtet oder sich in ihr bewegt, bietet sie unmittelbares ästhetisches Erleben. Das Bild vom Menschen inmitten einer überwältigend weiten, schroffen oder kargen Landschaft war ein Grundmotiv der Romantik und durch metaphysische Sehnsüchte bestimmt. Im 20. Jahrhundert kam mit der amerikanischen Malerei der 50/60er Jahre (Barnett Newman, Marc Rothko) und der „landart“ (Robert Smithson, Walter De Maria) das von Kant, Burke und Hegel formulierte „Erhabene“ oder „Sublime“ zu neuer Aktualität. Auch heute verfolgen Künstler diese Spur und haben zu neuen Sichtweisen und künstlerischen Umsetzungsformen gefunden. Die Ausstellung zeigt Positionen, die gerade durch einen kühlen, nüchternen Blick große Empfindungen möglich machen.
Der Brite HAMISH FULTON konzipierte speziell für den KUNSTRAUM INNSBRUCK eine 2,90x19m große monumentale Wandmalerei. „No walk, no art“ beschreibt Fulton seine Art zu arbeiten und setzt seine Wanderungen seit Mitte der 90er Jahre in raumgreifende Wort- und Satzsysteme von großer poetischer Kraft um. Stärker laßt sich der Blick auf Landschaft nicht abstrahieren, doch für die Imagination des Betrachters öffnen sich weite Räume und die sinnliche Präsenz des monumentalen Formates wirkt physisch überwältigend.
AXEL HÜTTE
hat für die Ausstellung großformatige fotografische Bilder ausgewählt, in denen der Blick des Betrachters auf schroffe, sich senkrecht vor ihm auftürmende Felswände oder karg bewachsene Berghänge fällt. Hütte lenkt das Sehen des Betrachters und verunsichert ihn, indem er ihm eine feste Orientierung über seinen Standpunkt innerhalb der Landschaft verweigert. Seine Fotografien durchbrechen bewußt herkömmliche Bildmuster „idealer“ Ausblicke und doch erhöhen sie Landschaftsausschnitte zu zeit- und bewegungsloser Monumentalität.
Der belgische Künstler PANAMARENKO
baut bereits seit Ende der 60er Jahre Fluggeräte, die den alten Traum des Menschen vom schwerelosen Gleiten durch die Lüfte verkörpern. Er steht damit in einer Tradition, die bis zu Leonardo da Vinci zurückgeht - und ähnlich wie bei dessen Fluggeräten liegt auch bei Panamarenkos Flugrucksäcken aus den 80er Jahren der besondere Reiz in ihrem visionären Charakter und der Reise in der Phantasie.
Auch MARINA ABRAMOVIC'S
Arbeiten „Helmets for departure“, „Crystal shoes for departure“ und „Dragon“ setzen die Gedanken in Bewegung. In ihrer prächtigen Materialität (Amethyst, Bergkristall und Quartz) stehen sie im Raum als unverrückbare, monumentale Metaphern für die Verbindung von Mensch und Natur.
Die Leuchtkästen des documenta-Teilnehmers OLAF NICOLAI
zeigen eine vom Künstler angelegte Miniaturlandschaft und reflektieren in ihrer Künstlichkeit das Thema Natur und Simulation.
Die Fotos der Bernd-und-Hilla-Becher Schülerin SIMONE NIEWEG
zeigen durch die Zivilisation geprägte, kultivierte und industrialisierte Landschaften. Sie bezeugen, daß auch heutige „profane“ Landschaften Sehnsüchte und metaphysische Vorstellungen des Menschen berühren.
Der Schweizer MICHAEL BIBERSTEIN
kommt aus einer analythisch-reflektierenden Konzeption in den 90er Jahren zu einer sinnlich überwältigenden Malerei. „Wide grey“ ist der Titel der in der Ausstellung gezeigten 270x576cm großen Monochromie. Von Biberstein ist in Innsbruck zudem eine Installation mit Wandzeichnung zu sehen„ Innsbrucker Horizonte über portugiesischem Himmel“, die mit der Architektur der Lichtkuppel spielt und in sparsamen Andeutungen Assoziationen zum Thema weckt.
Der Malerei Bibersteins stehen die großformatigen Holzschnitte des Kaiserring-Preisträgers FRANZ GERTSCH
gegenüber: das „Triptychon“, das eine bewegte Wasseroberfläche zeigt, und „Rüschegg“, ein Ausschnitt aus seinem Garten. Gertsch überzieht in monatelangen Arbeitsprozessen riesige Holzplatten mit einer feinen Punktstruktur, die die Licht - Dunkel Partien seiner realistischen Landschaftsmotive modelliert und sie im monochromen Druck verfremdet.
Kuratorin Dr. Ute Riese, Kunsthalle zu Kiel