KATALOGPRÄSENTATION, KÜNSTLERGESPRÄCH OLAF METZEL

„Kunst ist der einzige Freiraum zwischen Knast und Klapsmühle, d.h. man hat alle Möglichkeiten, die sich einem bieten, und man soll sie exzessiv nutzen.“
Olaf Metzel[1]
Weder Knast noch Klapsmühle ist das künstlerische Programm von Olaf Metzel, und doch ist es ein vom Künstler oft zitiertes Statement, mit dem er seine künstlerische Praxis und Inspiration in der Gesellschaft verortet. Obwohl die Gegenüberstellung beider Begriffe polarisiert, haben sie doch eines gemeinsam: ein Ort für Menschen zu sein, die aus der Norm fallen und die von der Gesellschaft weggeschlossen, vor denen diese beschützt werden muss. Hört man den Nachhall der zahlreichen Skandale, die Werke von Metzel in der öffentlichen Diskussion ausgelöst haben, könnte man denken, dass so mancher in Rage geratener Betrachter sich Metzel, um es gelinde auszudrücken, postwendend an einen der beiden Orte gewünscht hat. Aber selbst darum geht es in diesem Zitat nicht, da Metzel mit seiner Kunst eben die in Normen gefassten Grenzen unserer Gesellschaftsordnung aufbrechen möchte, indem er das politische Handeln einer kleinen Elite gegenüber der Bevölkerung kommentiert und deren Sprachrohr, die Presse, als seine zuverlässigste Inspirationsquelle schätzt. Er liest Politikern ihre Lippenbekenntnisse politischer Entgleisungen ab und bedient sich aus Fundstücken des Qualitäts- wie auch Boulevardjournalismus, um unsere Zeit in aller Deutlichkeit aus ihrer ironiefreien Zone zu eisen. Olaf Metzel ist ein politischer Künstler, ohne dass wir ihn nach seiner persönlichen politischen Haltung befragen müssen. Konsequent spiegelt sein Werk der letzten 30 Jahre die politische Geschichte Deutschlands wider: geprägt von der Politik der Nachkriegszeit und den Repressionen des Kaltem Kriegs, aber auch von Wiederaufbau, Wirtschaftwunder und der ersten Generation der Gastarbeiter, die 1955 in bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und Italien, später auch Portugal, Spanien und der Türkei, nach Deutschland kamen. Selbst im Jahr 1952 in Berlin Kreuzberg geboren, hat er nicht nur in seiner Kindheit die Prägung durch die Politik der geteilten Stadt erfahren, sondern diese ebenso zum Thema seiner ersten Arbeiten gemacht. Er stand der Berliner Hausbesetzerszene nahe und kommentierte die Berliner Senatspolitik, die sprichwörtlich in Form von Häuserschlachten zwischen Sozialdemokratie und Konservativen ausgetragen wurde. In diesem politischen Kalkül kochte natürlich auch die linke Theorie der 68er auf, die ihre radikalste Spitze in der Rote Armee Fraktion erschloss, die, um es in der Utopie des politischen Empfindens einer ganzen Generation auszudrücken, zu einem Befreiungsschlag gegenüber der Väter-Generation angetreten war, um ihre eigene Politik zu machen. Mittendrin finden sich die Rezeptoren von Olaf Metzel, die diese Zeit in komplexe künstlerische Arbeiten übersetzen und damit sein Werk zu einem wertvollen Archiv deutscher Gegenwartsgeschichte bündeln. Die vorliegende Publikation gibt Einblick in diese Zeit anhand von gesammelten Texten des Künstlers, die er in Katalogen und Zeitungen bis heute veröffentlicht hat. Damit wird der vorliegende Katalog in zweierlei Hinsicht zum Archiv der Produktions- und Rezeptionsgeschichte des Werks von Olaf Metzel.
Karin Pernegger
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[1] Olaf Metzel im Interview mit Teresa Andreae, ORF, Tirol Heute, 06.02.2015, 19 Uhr