Ausstellung
03.03.01 – 26.05.01

JOHN M ARMLEDER

ENTER AT YOUR OWN RISK II
Kunstraum Innsbruck, Ausstellungsansicht: ENTER AT YOUR OWN RISK II JOHN M ARMLEDER, 2001.


Unmittelbar beim Betreten von John M Armleders Gesamtinstallation für den Kunstraum Innsbruck findet sich der Betrachter in einem Boudoir der Erinnerungen und Reminiszenzen wieder. Hier, das ist spürbar, wird ein nachgerade erotischer Umgang gepflegt mit den Stichwortgebern, Vorläufern und Dialogpartnern aus der Epoche der späten Moderne.

John Armleder hat die dreischiffige Halle des Kunstraumes Innsbruck mit einer orangefarbenen leuchtenden Reflexfolie im Stil einer gefältelten Wandbespannung ausgekleidet. Auf einer Längswand hängen vier querformatige Bildobjekte im klassischen Format repräsentativer Porträt- oder Landschaftsmalerei, wie sie im privaten Ambiente die gehobene Kreditwürdigkeit ihres Besitzers signalisieren helfen. Auch diese Bildobjekte - handwerklich sauber gefertigt mit Velours, Samt- oder Dekostoffen - sind ‚plissiert‘ wie die Wandbespannung, unterscheiden sich jedoch im Rhythmus, man könnte auch sagen: in der Faktur. In der gegenüberliegenden Raumhälfte hat der Künstler vier Neon-Zielscheiben in großzügigen Abständen auf den Wänden verteilt. Das Repertoire der Anspielungen, Zitate und Stichworte, das Armleder in seiner neuen Innsbrucker Installation souverän plagiiert, kann in Stichworten umrissen werden.

Auf einer ersten und unmittelbaren Ebene ist hier der Ausstattungskitsch der billigeren Geschenk- und Bilderläden in den “white cube” des Ausstellungsraums übertragen. Aus der jüngst vergangenen Gegenwart der Kunstgeschichte sind es zunächst die Neoninstallationen Dan Flavins und die Neonobjekte Bruce Naumans einerseits, die “Targets” von Jasper Johns und Kenneth Noland oder die Knitter-Reliefs eines Robert Longo andererseits, an die man sich erinnert. Der Faltenwurf als Überwindung traditioneller Bildlichkeit gelesen lässt an die monochromen Bildobjekte Piero Manzonis denken. Sein Freund und Zero-Kollege Lucio Fontana hatte Neon kunstfähig gemacht, um die Grenzen von Raum und Bild aufzuheben. Weiter zurück kommt man von der Kunst weg wieder bei der Dekoration an, eben bei den kostbaren Wandbespannungen aus Barock oder Gründerzeit, wie sie heute vorzugsweise in Hotels zur Aufwertung des Ambientes zitiert wird. In die Frühzeit der Kunst zurückblickend wissen wir, dass der Faltenwurf stilbildend wirken, in Einzelfällen aber auch ein Ausweis von Künstlerindividualität sein konnte.

Wer entgegen der Warnung “Eintreten auf eigene Gefahr” den Raum betritt, verirrt sich also in einem wahren Spiegelkabinett zweitausendjähriger Kunstgeschichte. Es ist eine Geschichte, die immer schon und heute zumal zwischen Kunst und Kunstfertigkeit, „high“ und „low“, frei und angewandt, Ästhetik und Dekoration sich in Auf- und Abschwüngen fortbewegt hat. Wir Betrachter sind angekommen in der gesammelten ‚Fülle‘ der Kunstgeschichte, die aber, je länger wir sie betrachten, umschlägt in den Eindruck kläglicher, ja erschreckender ‚Leere‘. Gleichwohl möchte John Armleder im besten Sinne unterhalten: man sieht was man weiß und der Betrachter ist immer der Gewinner.

Kuratorin: Renate Wiehager, Stuttgart

Kunstraum Innsbruck, Ausstellungsansicht: ENTER AT YOUR OWN RISK II JOHN M ARMLEDER, 2001.
Kunstraum Innsbruck, Ausstellungsansicht: ENTER AT YOUR OWN RISK II JOHN M ARMLEDER, 2001.
Kunstraum Innsbruck, Ausstellungsansicht: ENTER AT YOUR OWN RISK II JOHN M ARMLEDER, 2001.