DER HANG ZUR BEHARRLICHKEIT

„Ein Flötenspieler begann eines Tages, einen lang gezogenen Ton zu spielen. Als er damit nun an die 20 Jahre fortfuhr, gab ihm seine Frau zu bedenken, dass doch alle anderen Flötenspieler mehrere Töne und ganze Melodien zustande brächten und dass das doch vielleicht abwechslungsreicher sei. Der Flötenspieler aber antwortete, dass es nicht sein Fehler sei, wenn er die Note schon gefunden hätte, nach der die anderen immer noch suchten.“ Vielleicht lässt sich die auffallend ähnliche konzeptuelle, extrem gleichförmige Art der künstlerischen Werk- und Arbeitsorganisation, um die es in dieser Ausstellung geht, anhand dieses Tagebucheintrags von Yves Klein am besten veranschaulichen, der hier eine Geschichte aus dem alten Persien notierte.
Denn abseits des beschleunigten Tempos des jeweiligen Zeitgeistes der letzten Jahrzehnte haben eine Handvoll Künstler ein Werk geschaffen, das sich ausnahmslos durch Treue zu einer Grundentscheidung hinsichtlich ihres künstlerischen Wirkens auszeichnet. Die Werke der Künstler, die in dieser Ausstellung das erste Mal zusammengeführt werden, bestechen durch die Beharrlichkeit, in der sich das einmal geschaffene, über alle Zeiten und Stile hinweg gültige Vertrauen in diese eine Entscheidung manifestiert. Dies sogar über Dekaden hinweg, in denen der Geist des Pluralismus herrschte und in denen daher auch häufiger die Abkehr von einem Stil - auch im Sinne einer persönlichen Identität - gesucht wurde, als dass dieser bestätigt wurde.
Die Künstler, die hier in Betracht zu ziehen sind, sind vor allem Bernd und Hilla Becher, Hanne Darboven, Dan Flavin, On Kawara, Julije Knifer, Roman Opalka, Fred Sandback und Niele Toroni. Alle diese Künstler haben ihr Werk in den frühen 60er bis 70er Jahren begründet und ihre Entscheidung, eine einzige formale Einheit oder konzeptionelle Idee zum ausschließlichen Inhalt eines bis in die Gegenwart dauernden Arbeitsprozesses zu bestimmen, somit schon sehr frühzeitig getroffen.
Diese Entscheidung setzt ein radikal künstlerisches Bewusstsein und eine Haltung voraus, die den "Einsatz des ganzen Lebens" (Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) erforderte und auch weiterhin erfordert. Im Rückblick erscheint es, als ob diese Künstler die Dauer und die Beharrlichkeit überhaupt erst als Vorbedingung betrachtet haben, um ein Kunstwerk nach seiner Herkunft und seinem Bestand zu befragen. Dabei resultiert die methodische Strategie der Wiederholung ein und desselben Konzeptes oder Motivs eben nicht aus dem Hang nach quantitativer Verbreitung, sondern sie sind das Ergebnis einer planvoll bestimmten Richtung des künstlerischen Schaffens, durch die die Künstler den Standpunkt ihrer autoreflexiven Beziehung gegenüber dem Ausgangspunkt und anderer Determinanten ihrer Arbeit manifestieren.
Die Ausstellung "Der Hang zur Beharrlichkeit" untersucht exemplarisch anhand je eines Früh- und eines Spätwerkes die Gültigkeit und Aktualität solcher künstlerischer Haltungen - und das in einer Zeit, in der Künstler zunehmend über die Fähigkeit verfügen, ihre Arbeiten auf die jeweiligen aktuellen, „zeitgeistigen“ Erfordernisse abzustimmen.
Kurator: Udo Kittelmann, Köln