CHRISTINE LJUBANOVIC
Die 1939 in Zams in Tirol geborene und in Paris lebende Künstlerin Christine Ljubanovic ist Fotografin, Grafikerin und vor allem Konzeptkünstlerin. Anlässlich ihres 80. Geburtstags im Sommer 2019 widmen wir ihr eine umfassende Personale und zeigen Werken von 1965 bis 2018. Ljubanovic ist in ihrer Kunst nicht auf eine Stilrichtung einzugrenzen. Eher lässt sich ihre künstlerische Praxis mit der Technik des Sammelns beschreiben, die sie jeweils in Langzeitrecherchen zum Zeitzeugen ihrer Kunst macht.
CONVERSATION PORTRAITS/PHOTO SUITES, 1974-2014
So entstanden zwischen 1974 und 2014 an die 500 Schwarz-Weiß-Porträts von Künstlern, Kuratoren und Wegbegleitern. Darunter sind Persönlichkeiten wie z. B. Hans Ulrich Obrist, Robert Fleck, Peter Weibel, aber auch Kollegen und Kolleginnen wie der Tiroler Künstler Richard Hoeck, Ingeborg Strobl, Thomas Hirschhorn, Arnulf Rainer und viele andere. Das Porträt ist bewusst inszeniert und zeigt ein Psychogramm des Abgebildeten. Ausgestellt werden diese Porträtserien auf dem eins zu eins ausbelichteten Kontaktbogen mit ca. 24 oder 36 Bildern. Anhand der Bildfolge kann der Betrachter die Aufnahmesituation nachempfinden und der Begegnung zwischen Model und Fotografin eine Geschichte ablesen. Hans Ulrich Obrist, der von ihr im Jahr 1996 fotografiert wurde, schreibt zum Projekt: „Dear Christine, your book is a protest against forgetting. Also: As Ansel Adams said: You don’t take a photograph, you make it.“
In weiteren Werkserien recherchiert sie Typologien, Inventare und Archive, die sie ebenso über langjährige Arbeitsperioden zusammenstellt. Zwischen 1983 und 1993 entwickelte sie die Serie impressit ALPHABETS & SIGNS, LETTERS/LANDS, zu der sie sämtliche, weltweit bekannten Druckverfahren recherchierte und die jeweiligen Orte und Druckwerkstädten besuchte. Hieraus entstand ein Alphabet, dessen 26 Buchstaben sie in Assoziation mit der jeweiligen Kultur typografisch gestaltete und von dem jeweiligen Druckexperten in Zusammenarbeit herstellen ließ. Insgesamt entstanden 40 unterschiedliche Buchstabenvarianten. Der Recherchebogen spannte sie von ganz alten bis zu den modernsten Drucktechniken: Holzschnitt, Typografie, Aquatinta, Schablone, Lichtdruck, Offset usw. Sie besuchte beispielsweise die Factory von Andy Warhol, mit der sie den Buchstaben R druckte. Ebenfalls begleitet sie schon seit Jahrzehnten die Inventarisierung von Farben, Pigmenten, Mustern und Skalen – von der Künstlerin kurz F/P/M/S genannt. In akribischen Recherchen bereist sie deren Ursprungsorte, denn Farben haben Orte und Orte haben Farben. Sie sammelt Pigmente und katalogisiert sie mit der Auflistung ihrer Herkunftsländer, Gesteinsart etc. Hierunter finden sich Farben aus Erdmineralien, Steinen und Edelsteinen, Glaspuder, Pflanzen oder historische Pigmente.
„Bei dem Projekt FARBEN/PIGMENTE/MUSTER/SKALENwerden Orginal-Farbpigmente und Grundmuster-Motive aus verschiedenen Kulturkreisen in Form von Bildersequenzen auf Papier gestaltet. Diese Weltreise in die Strukturen und Muster der Völker ist verbunden mit der Anwendung von MATERIALIEN wie MINERAL-ERDE-PFLANZEN-FARBEN und LEIM-MISCHUNGEN. GEOGRAPHISCHE und KLIMATISCHE Bedingungen werden natürlich miteinbezogen.“ (Zitat Christine Ljubanovic)
Die Ausstellung gibt Einblick in die Arbeitsweise der Künstlerin und transformiert den Ausstellungsraum indirekt zum Rechercheraum, um dem akribischen Sammeln von Christina Ljubanovic einen künstlerischen Raum zu geben. Stetig reiste sie in ihre Tiroler Heimat zurück und war wichtiger Bestandteil der Kunstszene im Oberland. Sie pflegt bis heute einen engen Austausch mit der lokalen Künstlerszene ihrer Generation und war eine enge Weggefährtin der erst kürzlich verstorbenen Tiroler Galeristin Monika Lami (1940–2018) und ihrer legendären Galerie Elefant in Zams. Deswegen freut es uns besonders, das Werk dieser aktiven Auslandstirolerin in Innsbruck neu zu entdecken. Wir freuen uns sehr, dieser besonderen Tiroler Künstlerin eine Ausstellung zu Ihrem 80. Geburtstag zu widmen.
Über Jahre hinweg arbeitete sie als Kinderbuch-Illustratorin, um ihr Leben und ihre Kunst zu finanzieren. Nach ihrem Studium an der Angewandten in Wien (gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Walter Pichler) arbeitete sie u. a.1961 im Innsbrucker Büro von Arthur Zelger an der grafischen Entwicklung der Olympischen Spiele von1964 mit oder gab in Innsbruck 1963 die Kinderzeitschrift Teddy heraus, bevor sie 1963 nach Paris ging. Im historischen Sinne befand sich das Büro im Vorderhaus des Kunstraum Innsbruck. Deswegen freut es uns besonders, dass die Arbeit von Christine Ljubanovic nach 58 Jahren wieder zurück an einen ihrer vielverzweigten Ursprungsorte kommt.
1939 in Zams geboren; 1953–1956 Bundesgewerbeschule Innsbruck; 1956–1960 Akademie für Angewandte Kunst in Wien bei Paul Kurt Schwarz; 1961 Gebrauchsgrafik im Atelier Zelger in Innsbruck; 1961–1962 Redaktion und Gestaltung einer Kinderzeitschrift im Verlag Scheiber; 1963 Herausgabe der Kinderzeitschrift Teddy mit R. Thun; 1963–1971 Gründung einer Werbeagentur in Paris und Mitarbeit in der Gruppe Ludic (Bau von Kinderspielplätzen); Veröffentlichung von zahlreichen Kinderbüchern im Verlag Flammarion; 1971–1972 Aufenthalt in New York; Pressezeichnungen und Arbeit am Buch „Mandy – américaine du New Jersey“; 1972–1976 Aufenthalt in London; seit 1976 in den Sommermonaten an der Accademia Raffaello in Urbino; lebt und arbeitet in Paris.
07.02.19 19:00 FÜHRUNG: Die Künstlerin als Archivarin künstlerischer Praxis, mit Karin Pernegger
19.02.19 19:00 GESPRÄCH: Das kulturelle Erbe historischer und gegenwärtiger Drucktechniken im künstlerischen Dialog.
08.03.19 19:00 GESPRÄCH: Der Kontaktabzug als fotografisches Protokoll. Christine Ljubanovic im Gespräch mit Julia Garimorth, Chefkuratorin, Musée d’Art moderne de la Ville de Paris
02.19 Christine Lubjanovic im Kunstraum Innsbruck HIER