AYRSON HERÁCLITO
Kuratiert von Marissa Lôbo & Ivana Marjanović
Der Künstler Ayrson Heráclito enthüllt in der Ausstellung die Überschneidungen von afro-diasporischen Techniken der Heilung, Erbschaften einer kulturellen Matrix, die uns den Zugang zu einem dekolonialen Weg eröffnet. Die Entmhytifizierung des Anthropozäns und die Integration von Wissensökologien, die das „yorubaianische“ Erbe in seine Arbeiten einbrachte, navigiert durch Technologien der Reinigung, Läuterung, körperlichen Verbindung und Oralität. Durch das anzestrale Wissen leistet der diasporische Körper Widerstand gegen koloniale Gewalt und Ethnozid. Das „yorubaianische“ Universum ist eine transatlantische Reise mittels hochentwickelter Tools, die in der afro-brasilianischen Diaspora neu geschaffen wurden und die bis heute als Heilmittel für Körper, Geist, Seele und Gesellschaft Bestand haben.
Das diasporische Erbe, das uns der brasilianische Künstler Ayrson Heráclito in der Ausstellung "Healing technologies and affections" vorstellt, enthüllt ein Universum von Heilungstechniken, die aus dem ethnolinguistischen Komplex der Yoruba stammen, der seinen Ursprung in Nigeria hat, sich transatlantisch verzweigte und Wurzeln schlug, um sich in der ausdrucksstarken bahianischen Kultur Brasiliens neu zu definieren und zu entfalten. Der Künstler lenkt den Blick auf die tiefe Wahrnehmung der Spiritualität, der Rituale und der Ästhetik, die sich in der Begegnung zwischen Yoruba und Bahia herausgebildet haben und die bis heute Performances eines Lebens sind, das gegen Kolonialität resilient ist.
Die Ausstellung "Healing technologies and affections" (Heilende Technologien und Zuneigung) ist ein künstlerischer Weg, der verschiedene Medien wie Fotos, Installationen und Videoperformances einbezieht, um die kulturellen und religiösen Manifestationen des ursprünglichen Yoruba-Kontexts in die Gegenwart zu übersetzen. Daher provoziert seine Arbeit während der gesamten Reise, die wir in dieser Ausstellung sehen können, ein Nachdenken über Identitäten, das Erbe der Vorfahren und dessen Zukunft sowie über Erinnerung und Tradition.
Erinnerung verhandelnd, untersucht er in seiner dialektischen Arbeit zwischen Tradition und Moderne, wie sich die Tradition der Diaspora widersetzte, wobei er Widerstand als Anpassung durch Verschmelzung mit anderen, bereits existierenden pluralen und durchlässigen Glaubensvorstellungen und Praktiken verstand, während sie heute eine Form der integrativen, dekolonialen Medizin darstellt, in der Krankheiten der Seele soziale Krankheiten sind und individuelle Heilung kollektive Heilung ist.
Heráclitos Arbeiten verwenden Farben und Formen, die an Rituale erinnern, wie z. B. das "Bori", eine Speisezeremonie für den Ori, den individuellen Orisha, der über unsere Köpfe herrscht; das "Buruburu", ein dem Orisha Omolu gewidmetes Ritual, bei dem ein Popcorn-Bad (aus dem Yoruba buruburu), das nach den heiligen Grundlagen des Candomblé zubereitet wird, zu einer reinigenden und entgiftenden Erfahrung wird. Zusätzlich zum "Inventar der Care- und Heilungstechniken", das Elemente wie Eier, Acaçá, Dendê, Lavendelessenz u.a. enthält, die medizinische Ingredienzien für die Yorùbá darstellen.
Die Ausstellung ist eine Beschwörung der Begegnung zwischen dem Anzestralen und der Gegenwart, der Manipulation heiliger Energien in jahrtausendealten Praktiken, die in einem diasporischen Kontext neu geschaffen wurden und ein tiefes Eintauchen in dieses kulturelle, religiöse und auch politische Universum ermöglichen, warum nicht? Denn durch den Prozess der Versklavung wurde die Yoruba-Kultur zum Keim der afro-brasilianischen Identität, zu ihrer Bestärkung und zum Aufbau der Gesellschaft. Ayrson Heráclito verherrlicht nicht nur die Yoruba-Kultur, sondern wirft auch zeitgenössische Fragen im Zusammenhang mit Rassismus, religiöser Intoleranz, religiösem Rassismus und der Dringlichkeit auf, das kulturelle Erbe der afro-brasilianischen Nachkommenschaft zu kennen, zu schätzen und zu bewahren.
Die Ausstellung "Healing technologies and affections" ist daher eine immersive und transformative künstlerische Erfahrung, die über die Ästhetik hinausgeht und das Publikum mit der Geschichte und den Heilungstechnologien verbindet, die die Heilung und das Wohlbefinden des Einzelnen und des Kollektivs eines Volkes fördern sollen, dessen kultureller Einfluss in verschiedenen Ecken der Welt widerhallt und Möglichkeiten eröffnet, die kulturelle Kraft der afrikanischen Diaspora anzuerkennen und zu feiern.
Ayrson Heráclito ist ein Ogã von Jeje Mahi in Salvador, Professor an der UFRB in der Stadt Cachoeira/Bahia, bildender Künstler und Kurator. Er promovierte in Kommunikation und Semiotik an der PUC São Paulo und machte einen Master in Bildender Kunst an der UFBA. Seine Installationen, Performances, Fotografien und audiovisuellen Arbeiten befassen sich mit Elementen der afro-brasilianischen Kultur und ihren Verbindungen zwischen Afrika und seiner Diaspora in Südamerika. Er nahm 2010 an der Luanda Triennale in Angola, 2015 an der Bamako Biennale für Fotografie in Mali und 2017 an der 57. Biennale von Venedig in Italien teil und erhält 2023 zusammen mit Partnern den Goldenen Löwen für den brasilianischen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig. Seine Werke befinden sich in den Sammlungen des Museums der Weltkulturen in Frankfurt, des Museu de Arte do Rio, MAR, Museu de Arte Moderna da Bahia, Pinacoteca de São Paulo, Videobrasil und Coleção Itaú. Er war einer der Chefkuratoren der 3. Biennale von Bahia, Gastkurator des Projekts "Routes and Transes: Africas, Jamaica and Bahia" im Rahmen des Projekts Afro-Atlantic Histories am MASP und erhielt den Preis für eine Künstlerresidenz in Dakar von Sesc_Videobrasil und Raw Material Company, Senegal. In den Jahren 2020 bis 2022 zeigte er die Ausstellung Yorùbáiano im MAR und in der Pinacoteca de São Paulo zeigen.
Text: Larissa Ibúmi Moreira
28.07.23 19:00 OPENING AYRSON HERÁCLITO
29.07.23 18:00 HEALING AS CLICHÉ BREAKING
19.10.23 14:00 FÜHRUNG
04.11. & 05.11.23 FINISSAGE