WIM BOTHA
Kuratiert von Karin Pernegger
Der Kunstraum Innsbruck präsentiert erstmals die Arbeiten des südafrikanischen Künstlers Wim Botha (*1974, lebt und arbeitet in Kapstadt) in Österreich. Die Arbeiten des Künstlers sind derzeit ebenfalls zu sehen im südafrikanische Pavillon Imaginary Fact: South African art and the archive auf der 55. Biennale von Venedig (1. Juni - 24. November). Zentral im Werk von Wim Botha steht die Existenz des Menschen. Die Materialien der aus Holz und Büchern geschnitzten Büsten gehen einen sensiblen Dialog mit der Frage nach unserer Identität und unserem Sein ein. So werden Bibeln in afrikaans oder Nachschlagewerke zum Ausgangsmaterial seiner Skulpturen, aber auch Materialien wie Neonleuchten, Industrieholz oder Styropor als bewusst gesetzter Gegensatz. Die Transzendenz des Menschen löst sich im Zusammenspiel der Materialien auf und erfährt eine inhaltliche Aufladung, die den Betrachter inne halten lässt.
Die skulpturalen und installativen Arbeiten Wim Bothas zeichnen sich durch ein vielschichtig angelegtes Referenzsystem aus, in welchem sich Aspekte kunsthistorischer Motive und Gattungen, soziologischer Verweise und einer frei angewandten technischen Kunstfertigkeit durchdringen. In der aktuellen Ausstellung erweist sich die offensichtliche Prozesshaftigkeit der Werke als allgegenwärtiger Faktor, welcher das Zusammenspiel von Form, Material und Motiv dynamisiert.
Wim Botha schafft Büsten aus Materialien wie Büchern und Holz. Seine neueste, präsentierte Werkserie männlicher und weiblicher Porträts zeigt partielle Schüttungen mit weißem Lack und schwarzer Tusche, die einer vergleichsweise spontanen Gestik folgen. Zugleich findet die bis dato singuläre Motivik des Porträtkopfes eine Erweiterung durch einen jeweils zugehörigen, proportional kleiner skalierten Totenschädel. Diese intimen Verbindungen illusionistischer Individualporträts, welche wider aller Vergänglichkeit die Antlitze überdauern lassen, mit anonymen Skelettköpfen [1] eine anthropozentrische Wende in der Bildgeschichte, welche von Botha wiederum unvermittelt gleichgeschaltet wird.[2] "Letztlich sind beide - Porträt und Schädel - Masken für das, was sie uns zeigen, denn Leben und Tod lassen sich ohnehin nur als Masken darstellen, wenn man sie in ein Bild verwandelt."[3] Botha jedoch verbindet mit seinen Arbeiten diese scheinbar polaren Hälften zu einer Einheit, handelt es sich doch vielmehr um einen schieren Gestaltwechsel, welcher das Sein als dynamisch und in ewigem Wandel auszeichnet.
Text: Karin Pernegger
[1] Vgl. Hans Belting: Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013. "Das Gesicht war ihnen im Tode entglitten ähnlich wie eine Maske, die ihre Pflicht getan hatte." S. 137. In der Tradition des Totenkults und der (Kunst-)Geschichte des Individualporträts wurde in der Zurschaustellung der massenhaft aufgebahrten Totenschädel in den Beinhäusern eine individuelle Zuordnung unterwandert.
[2] Vergleichbar erscheint eine solche Einswerdung unterschiedlicher Zeitlichkeiten und deren Repräsentationen durch medial vermittelte (Menschen-)Bilder, welche fähig sind Lebende zu zeigen ohne gleichzeitig deren tatsächlichen Lebendigkeit zu vergewissern.
[3] Belting, 2013, S.147.